Es ist erst ein paar Jahre her, dass der Glaube an freie Märkte die Welt an den Rand des Ruins brachte. Selbst in seiner Blütezeit, vom Anfang der 1980er-Jahre bis 2007, machte der deregulierte Kapitalismus amerikanischen Stils im reichsten Land der Welt nur die Allerreichsten reicher.

Zudem war der US-Produktionsanstieg wirtschaftlich nicht nachhaltig. Da ein so großer Teil des Volkseinkommens an so wenige ging, war das Wachstum nur durch einen immer stärker auf Pump finanzierten Konsum aufrechtzuerhalten.

Ich gehörte zu jenen, die hofften, die Finanzkrise würde die Amerikaner (und andere) lehren, dass wir mehr Gleichheit, eine stärkere Regulierung und ein besseres Gleichgewicht zwischen Markt und Staat brauchen. Das ist nicht passiert. Im Gegenteil: Einmal mehr wird die Weltwirtschaft vom wie immer durch Ideologie und Partikularinteressen angetriebenen Wiedererstarken einer rechtsgerichteten Wirtschaftslehre bedroht.

In den USA droht dieses Wiedererstarken der Rechten, die offensichtlich die grundlegenden Gesetze der Mathematik und der Ökonomie außer Kraft setzen wollen, zu einem Zahlungsausfall bei den staatlichen Schulden zu führen. Vor einem Jahrzehnt, inmitten eines Wirtschaftsbooms, standen die USA noch vor einem Haushaltsüberschuss, der derart groß war, dass er drohte, die Staatsschuld gänzlich zu beseitigen. Unbezahlbare Steuersenkungen und Kriege, eine große Rezession und steil ansteigende Kosten im Gesundheitswesen verwandelten den Überschuss in ein in Friedenszeiten nie gekanntes Defizit.

Die Medizin für das US-Defizit ergibt sich aus der Diagnose: Man muss Amerika durch Konjunkturprogramme wieder Arbeit verschaffen, die sinnlosen Kriege beenden, die Kosten für Militär und Medikamente begrenzen und die Steuern erhöhen, zumindest was die Superreichen angeht.

Die Dinge in Europa liegen kaum besser. Griechenland und andere stecken in der Krise, doch die verschriebene Medizin aus Sparpaketen und Privatisierungen machen die Länder nur noch ärmer und schwächer. Diese Medizin ist in Ostasien und Lateinamerika schon gescheitert und wird auch in Europa scheitern. In Irland, Lettland und Griechenland ist sie es schon.

Die Alternative ist eine von EU und IWF unterstützte Strategie zur Stärkung des Wirtschaftswachstums. Dieses würde das Vertrauen wiederherstellen, dass Griechenland seine Schulden zurückzahlen kann, was zu sinkenden Zinsen führen und mehr finanziellen Spielraum für weitere wachstumssteigernde Investitionen lassen würde.

Leider gehen Finanzmärkte und rechtsgerichtete Ökonomen das Problem genau von der falschen Seite an: Sie glauben, dass Sparmaßnahmen Vertrauen herstellen und dies zu Wachstum führen wird. Aber Sparmaßnahmen untergraben das Wachstum und verschlimmern die Lage.

Falls Europa oder die USA es nicht schaffen, zu einem robusten Wachstum zurückzukehren, wäre das schlecht für die Weltwirtschaft. Ein Scheitern beider wäre eine Katastrophe - selbst wenn die großen Schwellenländer bereits ein selbsttragendes Wachstum erreicht haben. Leider steuert die Welt, sofern sich nicht weisere Köpfe durchsetzen, genau darauf zu. (© Project Syndicate 1995-2011; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31.7.2011)