Region Bothnian See: Anreise über Turku mit Air Baltic

Informationen: www.selkameri.fi, www.kylmapihlaja.com, www.finntouring.de, www.outdoor.fi, www.rauma.fi

Allgemein: Visit Finland

Foto: Visit Finland

Die drei Pop-Art-Bronzedamen, die die finnische Künstlerin Kerttu Horila im Rauma-Fluss baden lässt, sind eine von vielen Attraktionen im und am Wasser.

Informationen: Kerttu Horila

Foto: Kerttu Horila

Es ist nicht einfach nur eine Kiste und schon gar kein Koffer. Wenn Artturi Hakri davon erzählt, schwingt etwas Zärtliches mit. Aber auch Festigkeit. Irgendwie passt beides ganz gut zu dem Mann mit der lässig in den Nacken geschobenen Mütze. Atturi Hakri erzählt von seiner Seemannskiste, knapp zwei Minuten lang. Dann ist er wieder tot, im digitalen Off.

Die Aufnahme, die den Matrosen zeigt, stammt aus 1964. Sie ist eines jener Zeitdokumente, die die Betreiber des finnischen Seefahrtsmuseums während der letzten Monate gesammelt haben, und die er nun am iPad 2 präsentiert. Tablets-Navigation ergänzt die Exponate des Hauses, mal als vertiefende Tondatei, dann als Minifilm. Die Erinnerungen des Artturi Hakri sind eines davon.

Das allein klingt verdächtig nach Silicon Tundra, wie man es für eine Hightech-Nation wie Finnland erwartet. Doch das spannendste Museum des westfinnischen Städtchens Rauma hat noch andere Innovationen auf Lager: den einzigen Schiffsimulator der Welt etwa. Vor einem Widescreen ist die Kommandobrücke aufgebaut, samt Steuerrad, Fahrthebel, Navigation, und soeben versucht ein Hobbyseebär die Einfahrt in den Hafen von New York zu stemmen.

Nur wenige Flüche weiter bietet das Museum von Zeit zu Zeit eine weitere Rarität: Nämlich das letzte Diner der R.M.S. Titanic. Beim "The First Class Menu", das hier auf Vorbestellung aufgetragen wird, handelt es sich um exakt dieselbe Speisefolge, die den Unglücklichen am 14. April 1912 serviert wurde - wenige Stunden vor dem fatalen Crash. Lamm in Minzsauce, Gemüse-Farce, geröstete Jungtaube mit Kresse zählt zu den elf Gängen. Ganz zuletzt: Waldorf-Pudding. Zwei Stunden später gingen die Lichter aus.

Weltmeere

Rauma, das einst die größte Segelschiff-Flotte Finnlands beherbergte, hat die Erinnerungen an die Weltmeere gerecht verteilt. Da wäre der besondere im ganzen Land bekannte Dialekt, in dessen Suppe die Wörter vieler Sprachen treiben. Da wären ferner die drei Pop-Art-Damen aus Beton, die die finnische Künstlerin Kerttu Horila im Rauma-Fluss baden lässt und die auch jenseits des Museums ein wenig an die Titanic erinnern. Vor allem aber bietet Rauma Finnlands erst nominierte Weltkulturerbestätte: eine Altstadt, in der besser niemand zündeln sollte. Sechshundert Holzhäuser - die meisten davon im russischen Kolonialstil errichtet - kuscheln sich hier aneinander, in allen Variationen zwischen Ockergelb und Taubengrau. Und also genau so, wie Rauma vor dreihundert Jahren aufgebaut worden war, nachdem es den bisher letzten Großbrand erlitten hatte. Jetzt findet sich hier die größte Konzentration an Holzhäusern innerhalb Nordeuropas.

Holzhaustradition

Damit das auch so bleibt, legt sich die Stadtverwaltung gehörig ins Zeug. Bessere Kreditkonditionen für die Holzhaus-Restaurierung, ein eigens gegründetes staatliches Renovierungszentrum, das mit Know-how in Sachen korrekter Farbanstrich und hundert anderen Kleinigkeiten zur Seite steht, tragen zum Erhalt bei.

Früher wohnten vielköpfige Familien in den rund vierzehn Quadratmeter großen Räumen, die sich nun kaum zu zeitgemäßen Wohneinheiten erweitern lassen. Einfacher gestaltet sich die Rekonstruktion alter Tapetenmuster. Und die Mixtur der altbewährten Rotockerfarbe, eine Mischung aus Wasser, Eisensulfat, Roggenmehl und Rotocker, die bis zu 40 Jahre hält, ist ohnehin Skandinavien-weitverbreitetes Kulturerbe.

Manchen Details wurde freilich von jeher besondere Aufmerksamkeit gezollt. Die großen Eingangstore verwiesen auf die gesellschaftliche Stellung der Besitzer - während die früher einfach grau verwitterten Fassaden erst im frühen 19. Jahrhundert ihr farbiges Aussehen erhielten. Die große Zeit der Segelschifffahrt bescherte der Stadt damals enormen Wohlstand - freilich nicht allen.

Das spiegelt auch die Bandbreite der zu Museen umgewandelten Bauten wider: Im prächtig ausgestatteten Haus Marela residierte einer der reichsten Reeder, hinter dem simplen Holzzaun des Haus Kirsti ein einfacher Seemann - seine blau bepinselte Seemannskiste, der Brotschieber neben dem Backofen, die gelb leuchtenden Trollblumen im kleinen Vorgarten scheinen noch immer auf seine Rückkehr zu warten.

Es waren wohl solche Details, die einige resolute Witwen für den Erhalt der Altstadt kämpfen ließen, als Abrisspläne kursierten. Dass Raumas Jugend nun einem Altweiberhobby die Treue hält, mag da auch als Dankeschön für Engagement der Oldies gelesen werden. Denn Kurse fürs Spitzenklöppeln boomen, und der Folder fürs jährliche Spitzenklöppel-Festival zeugt von zeitgemäßem Grafikdesign. Immerhin ist Rauma auch das "Brügge von Skandinavien", knüpft im Rahmen des Festivals einschlägige Kontakte zur europäischen Klöppelszene.

Konserviert wurde zuletzt aber auch die umliegende Natur. Denn vor wenigen Wochen wurde hier im vorgelagerten Pyhämaa und Luvia Archipel der Bothnian-Sea-Nationalpark eingeweiht, Finnlands bisher größter Meeresnationalpark, der sich nicht zuletzt der Unterwasserpflanzen annimmt.

Wichtige Laichplätze prägen dieses traditionelle Fischereigebiet, aus dem nun die letzten Fischfarmen verbannt wurden. Neben viel Wasser, einigen für Taucher spannenden Wracks und reicher Unterwasserfauna bieten einige Tupfen Land gute Basislager für ausgedehnte Kajaktouren.

Leuchtturm-Hotel

Die von Profi-Lotsen endlich geräumte, per Fähre erreichbare Leuchtturminsel Kylmäpihlaja zählt dazu. Sie punktet mit Finnlands einzigem Leuchtturmhotel, in dem die Zimmer auch tatsächlich im Leuchtturm untergebracht sind und nicht etwa in den obligaten Nebengebäuden.

Wacholder- und stachelige Sanddornbüsche überziehen die Buckel aus Granit, und Kylmäpihlajas eng eingeschnittene Hafenbucht wurde 2009 Finnlands "Small Harbour of the year" - wobei das Kreischen der Küstenseeschwalben einen Hauch Hitchcock beisteuert.

Die benachbarte "Garnison Island" setzt eher auf Armygrün und ist perfekt für finnische Survival-Camps. Bis vor kurzem diente die Insel als militärischer Stützpunkt. Bleiben schließlich noch jene rund dreihundert Inseln des Rauma-Schärengartens, die von jeher in Gemeindebesitz sind - und daher für alle offen. Im Gegensatz zu den oft privaten Inseln anderer skandinavischer Schärengärten kein wirklicher Nachteil. (Robert Haidinger/DER STANDARD/Printausgabe/30.07.2011)


Einige Eindrücke aus Rauma zeigt eine Ansichtssache.