Tenor Antonio Poli: Der neue Stern am Salzburger Opernhimmel singt diesen Sommer in "Macbeth" und in den konzertanten Aufführungen von Strawinskys "Le Rosignol" und Tschaikowskys "Iolanta".

Foto: Philipp Rohner

STANDARD: Voriges Jahr haben Sie beim Young Singers Project in Salzburg mitgemacht und in Wien den Belvedere-Wettbewerb gewonnen. Haben Sie da je daran gedacht, heuer mit Riccardo Muti und Peter Stein bei den Festspielen zu arbeiten?

Poli: Nein! Letztes Jahr fragte mich ein italienischer Journalist, welchen Traum ich hätte. Ich antwortete: ‚Mit Muti, Barenboim und Abbado zu arbeiten.‘ Nach zwei Tagen hatte ich tatsächlich ein Vorsingen bei Muti und Barenboim. Und beide haben mich engagiert.

STANDARD: Welche Träume haben Sie jetzt?

Poli: Wenn ich mit Maestro Muti arbeite, sehe ich die große Differenz zwischen ihm und mir. Ich stehe am Anfang. Mein Wunsch ist, mit großen Künstlern zu arbeiten, von ihnen zu lernen, Erfahrungen zu sammeln. Ich möchte nicht nur zehn Jahre singen, sondern eine Karriere über dreißig, vierzig Jahre machen wie Piero Cappuccilli, Luciano Pavarotti oder eben Maestro Muti.

STANDARD: Ihre Strategie?

Poli: Mirella Freni hat einmal gesagt: Die Karriere macht ein Künstler mit dem Wort "nein", nicht mit "ja". Man muss sehr wählerisch sein und sich das Repertoire langsam, Schritt für Schritt erarbeiten, auch wenn manche Angebote sehr verlockend wären. Ich hatte vor vier Monaten ein Angebot für Bohème an einem wirklich großen Opernhaus. Auch eine DVD hätte produziert werden sollen. Doch ich habe -wenn auch schweren Herzens - abgesagt, weil ich noch nicht an einem so großen Haus mit der Bohème debütieren wollte. Ich bin erst 25 und will vorher noch viele Belcanto-Partien singen, Bellini, Donizetti, auch Mozart und einige wenige Verdi Partien.

STANDARD: Sie haben heuer in Rom unter Muti den Ismaele in „Nabucco" gesungen, bei den Pfingstfestspielen in Mercadantes Oper „I due Figaro" Graf Almaviva; jetzt Malcolm in „Macbeth": Wie ist es für einen jungen Sänger, mit einem so großen Künstler zu arbeiten?

Poli: Jeder Tag mit Maestro Muti ist etwas Besonderes. Natürlich arbeite ich mit meinem Gesangslehrer Romualdo Savastano, wann immer ich in Italien bin. Aber die wichtigsten Erfahrungen macht ein junger Sänger auf der Bühne - mit großen Kollegen. Maestro Muti hat Macbeth schon viele viele Male dirigiert, meist mit den besten Sängern der Welt. Trotzdem versucht er jedes Mal neu auf seine Solisten einzugehen. Seine Stärke ist es, aus jedem das Beste herauszuholen, dieses weiter zu entwickeln und zu etwas ganz Großem zu verbinden. Ein Monat mit ihm zählt mehr als ein Jahr an der Hochschule. Von ihm habe ich zum Beispiel gelernt wie viele verschiedene Farben eine Stimme haben kann und wie wichtig es ist, ein "piano" zu singen.

STANDARD: Und Peter Stein?

Poli: Das war wirklich eine sehr spannende Zusammenarbeit. Er hat die einzelnen Charaktere der Rollen unglaublich präzise entwickelt und hat uns beigebracht, wie man den eigenen Körper als Ausdruck- und Kommunikationsmittel nützen kann.

STANDARD: Gleich nach der Macbeth-Premiere beginnen Sie in Salzburg die Proben für _Strawinskys „Le Rossignol" und Tschaikowskys „Iolanta", wo Sie an der Seite von Anna Netrebko singen.

Poli: Ich freue mich auf diese Zusammenarbeit! Und darauf, dass diese beiden Opern auf Russisch gesungen werden. Das ist eine so wunderschöne Sprache. Ich träume davon, bald als Lenski in Eugen Onegin zu debütieren.

STANDARD: Fällt Ihnen das Rollenstudium schwer?

Poli: Nein. Wenn Leidenschaft da ist, gibt es keine Schwierigkeiten. Nur was man nicht liebt, fällt einem schwer.

STANDARD: Eigentlich wollten Sie ja Popstar werden.

Poli: Ich hatte schon einen Vertrag für das Festival in San Remo in der Tasche, meine Gesangslehrerin hat aber immer am Ende der Stunde mit mir eine Arie gesungen. Eigentlich wollte ich nicht so seriös wie ein Opernsänger sein. Und zu Hause hörten wir auch immer nur Popmusik. Doch dann ermutigte mich meine Mutter, an einem Opernwettbewerb in Viterbo teilzunehmen. Ich kannte nur eine Arie aus der Zauberflöte, eine aus dem Liebestrank. Die dritte bereitete ich vor, indem ich eine CD von Placido Domingo angehört und nachgesungen habe. Ich habe den Wettbewerb dann tatsächlich gewonnen....

STANDARD: ... und die Pop-Ambitionen ad acta gelegt?

Poli: In dem Moment, als ich die Arien sang, fühlte ich etwas, was ich für Popmusik nie empfunden hatte. Ich dachte sofort: ich will Opernsänger werden. Ich begann mit dem Studium in Rom und gewann dort einen weiteren Wettbewerb, der mit einem Stipendium verbunden war. Das half mir, meine Eltern ein wenig finanziell zu entlasten.

STANDARD: Ihre nächsten Pläne?

Poli: Ich werde in Venedig, Hamburg und München Don Giovanni singen, in Venedig auch La Traviata, in Valencia Romeo et Juliette mit Gergiev machen, im Concertgebouw in Amsterdam singen, in Covent Garden Otello unter Antonio Pappano; an der Scala mache ich Falstaff, und in Graz werde ich mit Liebestrank debütieren.

STANDARD: Wer sind Ihre Vorbilder?

Poli: Placido Domingo! Er stand als Vorbild auch ganz am Anfang meiner Karriere - ein großartiger Künstler! Ein Autogramm von ihm aus früheren Jahren bewahre ich zu Hause auf wie einen großen Schatz. Aber auch Luciano Pavarotti, der eine vollkommene Technik hatte und Franco Corelli für das Verismo Repertoire. Mein Wunsch wäre, Domingo einmal persönlich kennezulernen. Ich hätte viele Fragen an ihn. (Andrea Schurian, DER STANDARD - Printausgabe, 2. August 2011)