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Klaus Maria Brandauer erspürt im "Faust" den Prometheus, "Gustav" singt ihm nach.

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Salzburg - Wer Goethes Faust-Tragödie ob ihrer himmlischen Längen und gelehrten Anspielungen für das Theater verlorengibt, wird sich ihrer dennoch als einer unversieglichen Kraftquelle besinnen. Vieles in der "Tragödie zweitem Teil" drängt darauf, weniger auf die Bühne als auf ein schlichtes Lesepult gebracht zu werden.

Das Salzburger Festspiel-Programm Auf eigene Faust flankiert Nicolas Stemanns Doppelinszenierung auf der Perner-Insel. Es setzt den "schwankenden Gestalten" der Zueignung nach. Es erkennt in Fausts Hinwendung zum "Geist, der stets verneint", das Fortschrittsmodell einer außer Rand und Band geratenen Menschheit: Klaus Maria Brandauer fragte in einer "literarisch-musikalischen" Reise nach Fausts "prometheischen" Anteilen.

Autor Daniel Kehlmann wiederum kratzte aus der Weheklag' eines Vielstudierten die Gelehrtentragödie heraus. Er las gestern aus seinem Theaterstück Geister in Princeton, in dem der Logiker Kurt Gödel die Schranken von Zeit und Raum aufhebt und mit den Toten kommuniziert. Aber ist nicht der ganze Faust II ein einziges rasendes Totenfest, in dessen Verlauf verrottete Kaiser, lebensunfähige Homunculi und spartanische Helenen als Wiedergänger ihrer selbst agieren?

Am Freitag wird sich Dramenminimalist Jon Fosse Goethes Flickwerk zur skandinavischen Brust nehmen: Seine kompilierte "Version" rückt im Republic die Momente der Zwischenmenschlichkeit unter die Leselampe. Die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich fragt am 8. August im Republic hingegen nach der Radikalität des Alters: Wie kommt es, dass ein unersättlicher 80-Jähriger (Faust) eine unschuldige 14-Jährige (Gretchen) nonchalant zerstört? Am 10. August schließlich präsentiert Gustav alias Eva Jantschitsch Songs zu Faust. Ihr zur Seite: "Tod" Ben Becker. (Ronald Pohl, DER STANDARD - Printausgabe, 2. August 2011)