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Das Verwaltungsgericht in Sofia hob Montagmittag den Lizenzentzug für Lukoil Bulgarien auf.

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Ein einziger Richterspruch hat den augenscheinlich wenig überdachten Kampf der bulgarischen Zollbehörde gegen den russischen Monopolisten Lukoil im Land zum Sommertheater gemacht. Das Verwaltungsgericht in Sofia hob Montagmittag den Lizenzentzug für Lukoil Bulgarien auf. Begründung: die Monopolstellung des Konzerns.

Gegen die Entscheidung will Zollchef Vanjo Tanow innerhalb der nächsten Tage Berufung einlegen. Seine Behörde hatte Lukoil vergangene Woche die Lizenz zum Betrieb von Treibstofflagern und des Ölterminals im Schwarzmeerhafen Burgas entzogen. Lukoil musste daraufhin am Freitag die ebenfalls zum Konzern gehörende einzige Ölraffinerie des Balkanlandes herunterfahren.

Ein enger Freund

Die Regierung von Premierminister Boiko Borissow hatte sich hinter die Zollbehörde gestellt. Borissow, der offen erklärte, dass der Chef von Lukoil Bulgarien, Valentin Zlatew, bisher zu seinen engen Freunden zählt, machte den Lizenzentzug zu einer rechtsstaatlichen Frage. Lukoil hatte trotz mehrfacher Aufforderung keine Messgeräte an Tanks und Pipelines angebracht. Die Zollbehörde konnte deshalb nicht festlegen, wie viel Steuern Lukoil tatsächlich für importiertes Öl zu zahlen hat. Der Verdacht steht im Raum, dass der russische Konzern in Bulgarien weitaus mehr Treibstoff herstellt als deklariert. Eine letzte Frist für die Anbringung elektronischer Messgeräte war am 26. Juni ausgelaufen. Anfang Juli machte das Finanzministerium mit Inspektionen weiter Druck, am 27. Juli verlor der Energiekonzern dann seine Arbeitsgenehmigung.

Staatsreserve angezapft

Damit sägte die Republik Bulgarien allerdings am eigenen Ast: Lukoil liefert nach eigenen Angaben 80 Prozent des Treibstoffbedarfs im Land. Mit 200 Tankstellen unterhält der Konzern eines der größten Verteilernetze in Bulgarien. Autofahrer, die staatliche Eisenbahn, der öffentliche Transport in den Städten, die Fluggesellschaften sind von den Russen abhängig. Am Sonntag musste die bulgarische Regierung bereits die Staatsreserven öffnen und 1800 Tonnen Kerosin an die Flughäfen in Burgas und Varna liefern, die jetzt während der Feriensaison besonders stark frequentiert sind.

Finanz- und Energieminister versicherten der Öffentlichkeit, dass es bei Benzin und Diesel zu keinen Engpässen kommen werde. Es gäbe 400 lizenzierte Importeure neben Lukoil, die Staatsreserven reichten im Notfall für 160 Tage. Dennoch machte die Regierung nicht den Eindruck, sie sei auf die Krise mit Lukoil und den Produktionsstopp vorbereitet gewesen. Ein Krisenstab wollte sich am Montag mit der Frage beschäftigen, "was eigentlich bei Lukoil los ist".

Das Verwaltungsgericht in Sofia entschied nun, dass Lukoil durch den Lizenzentzug ein unverhältnismäßig hoher Schaden entstünde - eine Folge der Größe und der Monopolstellung, die der Konzern in Bulgarien hat. Das Gericht hob insbesondere die Lieferverträge von Lukoil an die staatliche Eisenbahn und an das öffentliche Transportunternehmen in Sofia hervor.

Lukoil ist der mit Abstand größte Steuerzahler und Exporteur des Landes: Ein Drittel der Treibstoffproduktion geht nach Mazedonien und Serbien. Lukoils Neftochim Raffinerie in Burgas ist mit einer Kapazität von 115. 000 Fass Rohöl am Tag die größte auf dem Balkan. Ein Produktionsstopp hat deshalb Wirkung über Bulgarien hinaus.

Warnung an Moskau

Über die Gründe für die radikale Strafmaßnahme gegen Lukoil wird in Bulgarien reichlich spekuliert. Vielen erscheint ein Zusammenhang mit anderen russischen Energieprojekten gegeben. Die Regierung streitet gegen den vorvertraglich fixierten Bau eines AKWs und gegen eine Gasprom-Pipeline von Burgas nach Alexandropolis. Vielleicht, so heißt es, wollte Borissow gegenüber Moskau den starken Mann markieren.(Markus Bernath aus Sofia, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 2.8.2011)