Sankt Radegund - Rimma von der Krähenweide ist fünf Jahre alt und damit eine der jüngsten WM-Teilnehmerinnen. Ihre braune Mähne weht quasi im Laufwind, nachdem Thorsten Reisinger sie ange-töltet hat. Der Tölt ist eine Spezialität der Islandpferde. Während die Stute Rimma aufgerichtet in Galoppgeschwindigkeit läuft, sitzt Reisinger nahezu erschütterungsfrei im Sattel. Er könnte ein Wasserglas halten, ohne etwas zu verschütten. Der Tölt ist im Grunde ein rasant gelaufener Schritt, funktioniert also in vier Takten. Es gibt keine Schwebephase.

Neben den drei Grundgangarten - Schritt, Trab und Galopp - verfügen Islandpferde zusätzlich über die Gangarten Tölt und Pass, die auch als magische Gangarten bezeichnet werden. Rund 300.000 dieser kleinen, leistungsstarken Pferde (Stockmaß bis 1,45 m), die über Jahrhunderte in der isländischen Abgeschiedenheit gezüchtet wurden, gibt es mittlerweile rund um den Globus. Es ist die einzige Rasse, für die eine eigene WM ausgetragen wird.

250 Reiter aus 16 Nationen, darunter zehn Österreicher, werden noch bis Sonntag in den verschiedenen Sport- und Zuchtbewerben antreten. Und eine Österreicherin zeigte kurz vor der WM auf. Die Steirerin Catherine Gratzl und ihre Rappstute Blökk frá Kamb schafften in der Qualifikation einen neuen Weltrekord. In der Königsgangart, dem Rennpass, in dem die Pferde eine Geschwindigkeit von bis zu 45 Stundenkilometer entwickeln können, benötigten die beiden 13,47 Sekunden für 150 Meter. Der Rennpass ist eine laterale Gangart in zwei Takten mit Flugphase. Die jeweils gleichseitigen Beine fußen abwechselnd auf. Das alles funktioniert nur auf der geraden Passbahn. In der Kurve würde das Pferd umfallen.

Eine WM im Mutterland, also in Island, kann es übrigens nicht geben - es sei denn, die ausländischen Reiter besorgen sich einheimische Pferde. Denn in Island herrscht seit 1909 ein Importverbot für Pferde, das die Reinheit der Rasse gewährleisten soll. Das bedeutet zwangsläufig, dass Islandpferde, die ihre Heimat verlassen, nie wieder zurück nach Hause dürfen. Also werden jene Isis, die das isländische Nationalteam zum Turnier in Sankt Radegund mitgenommen hat, nach dem Turnier ihren Besitzer wechseln.

Nur reinrassige Tiere, die einen Stammbaum vorweisen können und deren Vorfahren in Island geboren wurden, werden als Islandpferde anerkannt. In den 50er- und 60er-Jahren erlebte das Islandpferd einen Exportboom vor allem nach Deutschland. Heute ist Deutschland nach Island das größte Zucht- und Exportland für die Isländer.

7500 Zuschauer haben Platz auf der eigens für die WM am Reithof Piber errichteten Tribüne. 25.000 Menschen erwartet Organisator Karl Piber in der ganzen Woche. Abseits des Trubels warten die Turnierpferde auf ihren Auftritt. Hier herrscht absolute Ruhe. Besuchern ist der Zutritt strengstens untersagt. Nur die Reiter und der Sportdirektor der FEIF (der internationalen Vereinigung der nationalen Islandpferdeverbände), Marko Mazeland, haben Zutritt zu den Boxen. Einige Reiter lassen ihre Pferde vor dem Wettbewerb noch frei laufen oder gehen ein Stück mit ihnen spazieren. Verpflichtend vor dem Turnierantritt ist eine Dopingkontrolle und eine Gesundheitsuntersuchung. (DER STANDARD PRINTAUSGABE 3.8. 2011)