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Hosni Mubarak, damals noch Präsident von Ägypten, drei Tage vor seinem Rücktritt am 11. Februar. Die Verhandlungsfähigkeit des 83-Jährigen, dessen Prozess heute beginnt, war bis zuletzt unklar.

Foto: AP/Nabil

"Ich möchte ihn hier auf dem Tahrir-Platz hängen sehen", sagt Amir ohne langen juristischen Exkurs. "Sie werden uns mit diesem Prozess bestimmt wieder betrügen", gibt sein Freund Yahya seiner Skepsis Ausdruck. Er glaubt erst an das Verfahren, wenn er Hosni Mubarak im Käfig vor dem Richter in Kairo sieht. Die beiden Aktivisten, die keiner Gruppierung angehören, campierten seit dem 8. Juli wieder auf dem Tahrir-Platz. Ein rascher Prozess gegen den gestürzten Präsidenten und die übrigen Ikonen des alten Regimes gehört zu ihren Hauptforderungen. Die Bestrafung Mubaraks war das zentrale Thema im Epizentrum der ägyptischen Revolution, bis der Platz am Montag vom Militär geräumt wurde.

"Alle Beweise liegen auf dem Tisch. Es gibt keinen Grund, das Verfahren hinauszuzögern", meinte kürzlich Amal Ashraf, Gründungsmitglied der Bewegung des 6. April. Es wurden von Aktivisten bereits "Probe"-Prozesse abgehalten, zum Beispiel in der oberägyptischen Stadt Qena, veranstaltet vom Verein der freien Anwälte. Das Urteil: Todesstrafe.

Debatten über Begräbnis

Der juristische Grundsatz, dass jemand unschuldig ist, solange er nicht verurteilt ist, scheint für den am 11. Februar gestürzten ägyptischen Präsidenten nicht zu gelten. Im Internet gibt es schon seit Wochen hitzige Debatten, ob dem Expräsidenten ein militärisches Begräbnis zustehen würde. Ein solches sei nur für Helden und nicht für Verräter, lautet eine der vielen ablehnenden Botschaften.

Vor dem Zelt von Amir und Yahya, einem Journalisten und einem Studenten, stand ein Banner mit einer Karikatur, die eine Schlinge zeigte, die sich nicht nur um den Hals von Mubarak windet, sondern auch um jenen von Feldmarschall Mohammed Hussein Tanatwi, dem Chef des Militärrats. Die Zeichnung spiegelt wider, was die Mehrheit der Ägypter denkt. Sie können nicht glauben, dass in diesem ganzen Sumpf von Filz und Korruption als Einziger der langjährige Verteidigungsminister, der zum engsten Kreis der Entscheidungsträger um Mubarak gehörte, eine weiße Weste hat. Aber weil nicht sein kann, was nicht sein darf, heißt der Standardsatz der Ägypter in diesen Tagen: "Mubarak wird seine Geheimnisse mit ins Grab nehmen".

Diese These wird von den Spekulationen um seine Gesundheit gestützt. Vor einigen Tagen machte auf dem Tahrir-Platz sogar die Nachricht von seinem Tod die Runde. Gemäß dem Chef seines Ärzteteams Assam Azzem ist der 83-jährige sehr schwach, nachdem er seit mehreren Tagen kaum mehr isst, und vor allem psychisch angeschlagen, das heißt depressiv. Er solle hin und wieder das Bewusstsein verlieren und nicht mehr ohne fremde Hilfe aufstehen können. Laut Azzem wird Mubarak, der seit April in Sharm el-Sheikh im Spital ist, wahrscheinlich nicht persönlich erscheinen können. Dem widersprechen bisher die Staatsanwälte.

Neben Mubarak stehen in diesem Prozess, der in der Polizeiakademie in Neu-Kairo stattfinden wird, auch seine beiden Söhne Alaa und Gamal, der ehemalige Innenminister Habib al-Adli und sechs seiner Mitarbeiter vor dem Kadi - über den in Spanien inhaftierten Geschäftsmann Hussein Salem wird in absentia verhandelt. Die Anklage lautet auf Korruption.

846 tote Demonstranten

Zudem muss sich Mubarak für den Schießbefehl auf Demonstranten während der Demonstrationen im Januar verantworten. Damals starben 846 Menschen. Auf dieses Verbrechen stünde die Todesstrafe. Der Prozess wird im staatlichen Fernsehen übertragen.

Der Prozess findet vor einem zivilen Gericht statt. Der Oberste Militärrat hat betont, die Armee werde sich nicht einmischen. Das Interesse ist gewaltig, die Stimmung aufgeheizt. Der Innenminister hat mit 50.000 Menschen gerechnet, die den Prozess vor Ort mit verfolgen wollen und damit einen Ort gewählt, der am Stadtrand liegt, um die Sicherheit gewährleisten zu können. Richter Abdel Aziz Omar, der Vorsitzende des Appellationsgerichts, hat gewarnt, die Justiz würde keinem Druck nachgeben, der öffentliche Wunsch nach Vergeltung dürfe nicht auf Kosten der Justiz gehen. Die Skepsis der Ägypter gegenüber der Justiz ist aber groß, denn die von der Revolution geforderte Säuberung dieser Institution hat noch nicht stattgefunden. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, Printausgabe, 3.8.2011)