Rund die Hälfte der Demokraten stimmte im Repräsentantenhaus gegen die Einigung.

***

Es gab stehende Ovationen, gerührt erhoben sich die Abgeordneten von ihren Plätzen. Es war einer der seltenen Momente, in denen die Parteifarbe zur Nebensache wird. Gabrielle Giffords, im Jänner durch einen Kopfschuss lebensgefährlich verletzt, ließ sich zum ersten Mal seit dem Amoklauf eines Geistesgestörten an ihrer alten Wirkungsstätte blicken, völlig überraschend und umso heftiger bejubelt.

Das braune Haar jungenhaft kurz, den bandagierten rechten Arm schlaff am Körper, den gesunden linken zum Winken erhoben, so ließ sich die Genesende feiern. "Ich musste hier sein, um abzustimmen", ließ sie hinterher in einer schriftlichen Erklärung wissen. "Ich konnte nicht riskieren, dass meine Abwesenheit unsere Wirtschaft abstürzen lässt."

Gabby Giffords' Ja zum Schuldenkompromiss, es war so etwas wie der dramatische Höhepunkt eines wochenlangen Pokers. Kurz bevor die USA in den Bankrott geschlittert wären, gab das Repräsentantenhaus grünes Licht für einen Deal, den Präsident Barack Obama am Wochenende mit den Spitzen der Republikaner ausgehandelt hatte. Demnach wird die Schuldengrenze von 14,3 auf 16,7 Billionen Dollar angehoben. Im Gegenzug soll der Fiskus in den nächsten zehn Jahren 2,4 Billionen einsparen. 40 Prozent der Ausgabenkürzungen sind bereits fest vereinbart. Das Gros entfällt die staatliche Gesundheitsversorgung für Alte. Auch das Pentagon muss den Gürtel enger schnallen. Auf die restlichen Posten soll sich eine Expertengruppe beider Parteien bis November verständigen.

Linke rebelliert

269 Abgeordnete stimmten für den Kompromiss, 161 dagegen. Bei den Konservativen gab es 66 "Nays", die meisten von Anhängern der Tea Party, für deren Begriffe der Rotstift nicht drastisch genug angesetzt wird. Bei den Demokraten lehnten 95 Volksvertreter, genau die Hälfte der Fraktion, die Novelle ab. Es ist ein Zeichen dafür, wie tief der Frust in Obamas Partei sitzt. Die Linke rebelliert gegen eine Einigung, die sie als Kapitulationserklärung versteht. Der Präsident habe den Republikanern mit ihrer rücksichtslosen Erpressungstaktik auf ganzer Linie nachgegeben. Nun werde ausschließlich bei den Ausgaben gekürzt, während die Steuersätze für Besserverdienende nicht steigen.

"Dies ist ein Sandwich des Teufels, bestreut mit Zucker", twitterte Emanuel Cleaver, der die Gruppe der afroamerikanischen Kongressabgeordneten leitet. "In diesem Sandwich findet sich nichts, was die Armen, die Witwen oder die Kinder schützt." Er habe sich nicht wählen lassen, um noch mehr Menschen in die Armut zu zwingen, donnerte Jim McGovern, ein Demokrat aus dem liberalen Bundesstaat Massachusetts. Unter normalen Umständen hätte er so ein Paket abgelehnt, sekundierte Luis Gutierrez, ein alter Weggefährte Obamas aus Chicago. Doch indem sie mit der Staatspleite drohten, hätten die Republikaner mit dem Feuer gespielt. "Es ging um die Verhinderung von Brandstiftung, dies war ein Gebot des gesunden Menschenverstands."

Noch am Dienstag sollte der Senat, die kleinere der Parlamentskammern, abstimmen. Danach kann Obama das Gesetz unterzeichnen. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, Printausgabe, 3.8.2011)