Alwin Köhler: Zellforscher und zweifacher Preisträger

Foto: MFPL

Viele Menschen kennen Bilder der DNA, wie sie ordentlich aufgewickelt, in Chromosomen verdichtet, vorliegt. "Wenn sich eine Zelle nicht gerade teilt, erscheint die Erbsubstanz im Zellkern jedoch wie ein wildes Durcheinander von Chromosomenfäden", beschreibt Alwin Köhler, Forscher an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Med-Uni Wien und der Uni Wien.

Diese "Unordnung" ist erstaunlich organisiert. DNA-Abschnitte, die gerade nicht gebraucht werden, sind nahe der Kernmembran ruhiggestellt. Wenn sie abgelesen (transkribiert) werden, bewegen sie sich in "aktive Zonen" des Kerns, die wahrscheinlich wie eine Fabrik organisiert sind und von verschiedenen aktiven Genen gleichzeitig besucht werden.

Alwin Köhler traut den Kernporen in der Kernhülle eine entscheidende Rolle bei der Organisation solcher molekularen Fabriken zu: "Dort findet nicht nur der Transport zwischen Kern und Zellplasma statt, sondern auch die Anheftung bestimmter Gene zum Ablesen, das Verpacken und Adressieren der Boten-RNA für den Export zu den Ribosomen", ist er überzeugt.

Für seine Forschungsarbeit gewann der 38-Jährige gleich zwei hochdotierte Preise: Nach dem Start-Preis des FWF für österreichische Nachwuchsforscher wurde er mit einem Starting Grant des European Research Council ausgezeichnet. In den kommenden Jahren möchte der Biochemiker zur Aufklärung der komplexen Vorgänge im Zellkern sämtliche Möglichkeiten - von der Strukturanalyse bis zur Zellbiologie - am Modell der Bäckerhefe ausschöpfen. Mit seinem Team diskutiert er gern und viel, "weil eine zündende Idee und die gezielte Reduktion der Komplexität im Untersuchungsdesign viele Monate Arbeit ersparen können".

Alwin Köhler begann sein Medizinstudium an der Universität Würzburg. "Mich interessierte das universelle Verständnis des Organismus: Physiologie, Psyche und die Moleküle dahinter." Fasziniert und nie wieder losgelassen hat ihn die Idee, dass Proteine wie vernetzte molekulare Maschinen in der Zelle agieren.

Er unterbrach das Studium und forschte als Doktorand in Harvard. Danach arbeitete er einige Zeit in der Kinderklinik Heidelberg. Die Sorge vor Reibungsverlusten im hierarchischen Apparat und das bleibende Interesse an zellulären Mechanismen führten ihn als Post-Doc ans Biochemische Zentrum der Uni Heidelberg. Anfang 2010 wechselte er in die Max F. Perutz Laboratories am Campus Vienna Biocenter: "Es ist so international wie die Uno City, und es gibt Spezialisten für fast alle Bereiche der Biologie."

Geboren in Kronstadt (Brasov) in Siebenbürgen, verbrachte Köhler seine ersten sieben Lebensjahre in einem Dorf nahe der ungarischen Grenze. Geblieben sind bloß ein paar Brocken Rumänisch. Seine Laborkollegen nennen den Deutschen dennoch scherzhaft einen "Altösterreicher".

In Wien hat er viel Zeit im Kaffeehaus verbracht und so mehr über die hiesige Lebensweise gelernt. Die dreidimensionale (Ent)Faltung von Proteinen erklärt er gern anhand der Zubereitung eines perfekten Steaks, zählt doch Kochen zu seinen Hobbys. Als Ausgleich zur Forschung radelt er täglich in die Arbeit. Dazu verbringt der ausgebildete Hornist seine Freizeit gern im Musikverein, in der Oper und im Theater. (Astrid Kuffner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. August 2011)