Als Reaktion auf die Verurteilung von Uwe Scheuch hat die Kärntner ÖVP die Koalition auf Eis gelegt (derStandard.at berichtete). Die Folgen davon werden von Polit-Experten als eher unspektakulär bezeichnet. "Es wäre nicht so, als ob die ÖVP die Koalition aufgekündigt hätte", sagt Politologe Thomas Hofer, "es sind zwar Konsequenzen da - etwa ein freies Spiel der Kräfte bei neuen Projekte - aber die ÖVP hat nicht so heftig reagiert, wie sie es hätte können." Auch Peter Hajek kommentiert das Geschehen als kaum folgenreich: "Im Grunde genommen läuft das Geschäft weiter, realpolitisch gibt es keine Auswirkungen."
Hofer: "ÖVP spielt auf Zeit"
Hofer vermutet, dass die ÖVP auf eine rechtskräftige Verurteilung Scheuchs warte: "Ich denke, die ÖVP hofft auf das Szenario, dass das Urteil gegen Scheuch bestätigt wird, und man dann mit dem viel berechnbareren und moderateren Gerhard Dörfler - der dann unumschränkt die Nummer Eins der FPK wäre - weiterregieren kann." Hofer sieht Landeshauptmann Dörfler auch als Gewinner der Causa Scheuch: "Egal, wie es ausgeht: Dörfler gewinnt hier. Bestätigt die nächste Instanz das Urteil nicht, kann er sagen, er hätte es schon immer gewusst. Bestätigt der Oberlandesgerichtshof Graz das Urteil, müsste Scheuch wohl zurücktreten und Dörfler wäre die klare Führungsperson der FPK."
Politberater Hajek sieht Dörfler hingegen in einer "unangenehmen Situation", immerhin sei Scheuch ja Landeshauptmannstellvertreter. "Was ist, wenn es zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommt? Dann könnten Uwe Scheuch und auch sein Bruder Kurt sagen: Wir wollen von euch Solidarität. Somit wären Dörfler - und in weiterer Folge auch Strache - in einem Erklärungsnotstand."
"Schwesterpartei FPK bereitet FPÖ mehr Sorgen als Freude"
Hajek meint weiters, dass die FPÖ-Spitze nicht von den Problemen in Kärnten überrascht sein dürfe: "2006 hat (FPÖ-Generalsekretär) Vilimsky in einer Aussendung noch gefordert, dass Scheuch eingesperrt gehöre (es ging um Vorwürfe wegen Versicherungsbetrug, Anm.). Daran sieht man, wie schnell sich die politischen Verhältnisse ändern."
Hofer verweist darauf, dass Kärnten als "echte Hochburg des dritten Lagers" natürlich strategisch wichtig ist, "aber bislang hat sich die Fusion nicht ausgezahlt." Er meint, dass die Reaktion der FPÖ bei den Wählern auf kein Verständnis stoßen wird: "Es werden nicht alle schreien: 'Oh Gott, diese armen freiheitlichen PolitikerInnen'."
Auch Hajek glaubt, dass das Verhalten der FPÖ nach der Verurteilung nicht vorteilhaft war: "Auf Straches Facebook-Seite ist der Tenor beispielsweise nicht: 'Der arme Scheuch', vielmehr heißt es, dass alle Politiker schlecht seien. Gleichzeitig desavouieren FPÖ-Mitglieder in Frontalangriffen die Justiz, die derzeit schon einen Vertrauensschwund hat. Insgesamt ist das dem demokratischen Gemeinwesen nicht förderlich."
"Fall Susanne Winter zeigt, wie FPÖ vorgeht"
Hajek spricht den Fall Susanne Winter an, die rechtskräftig verurteilt wurde und immer noch im Nationalrat sitzt: "Anhand dieses Verhaltens damals kann man das Verhalten in der Causa Scheuch ablesen, es wird nicht unähnlich sein." Eine Distanzierung der FPÖ von Scheuch sei, so Hajek, jetzt nicht mehr möglich.
Straches Performance bei der Causa Königshofer wird von den beiden Politologen strategisch nicht so streng beurteilt. "Man hat den letzten Notausgang erwischt, aber immerhin hat man ihn erwischt", so Hofer, "die FPÖ hat gesehen: Wenn wir das noch verteidigen, dann schadet es der Partei." Auch Hajek meint, dass Königshofer einfach eine Linie überschritten habe: "Aber wer registriert das schon? An den Herrn Königshofer wird sich in einem halben Jahr keiner mehr erinnern."
ÖVP muss sich inhaltlich distanzieren
Inwiefern das Verhalten der FPÖ die ÖVP, deren Obmann Spindelegger ja eine schwarz-blaue Koalition 2013 nicht ausschließen will, beschädigt, ist unklar. "Ich glaube, es wäre sicherlich gescheit, aus Sicht der ÖVP zu sagen: 'Mit so einer FPÖ kann man nicht koalieren, wir hoffen auf Besserung", so Hofer, "aber eine Koalition kategorisch auszuschließen wäre wahltaktisch unklug." Dennoch müsse man sich von solchen Skandalen distanzieren, denn natürlich gäbe es Bürgerliche, denen das zutiefst zuwider sei.
Hajek verweist hingegen auf die geringe politische Halbwertszeit solcher Fälle: "Die entscheidende Frage ist: Wie nah sind solche Handlungen an einem Wahltag? Es gibt natürlich bürgerliche Wähler, die sich länger erinnern, sie könnten sich abwenden. Aber das ist hauptsächlich nicht der Fall, weil der Wähler deutlich mehr zum Stimmungswähler wird und für ihn die Stimmung zwei bis drei Monate vor der Wahl entscheiden ist." (Fabian Schmid, derStandard.at, 3.8.2011).