Das Projekt E-Voting bei der Wahl der Österreichischen Hochschülerschaft 2009 war alles andere als unumstritten. Insgesamt hatten 2.161 und damit weniger als ein Prozent der 230.000 wahlberechtigten Studierenden das neue System genutzt. Die Wahl an der Uni Salzburg wurde aufgrund von Mängeln beim elektronischen Wählen für ungültig erklärt. Wegen der zeitlichen Nähe zur heurigen Wahl wurde sie allerdings nicht mehr wiederholt. 

Nach der Wahl sind beim Verfassungsgerichtshof mehrere Beschwerden eingegangen. Unter von den Grünen und Alternativen Studierenden (GRAS) und vom Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ). Sie legten wegen Verletzung des Rechts auf eine geheime und freie Wahl, Datenschutzproblemen und administrativer Patzer Beschwerde ein.

Ergebnisse des Prüfungsbeschlusses

Konkret wird vom VfGH Absatz 8 der Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswahlordnung auf Gesetzwidrigkeit überprüft, das die Grundlage E-Voting bildet. Die Ergebnisse des Prüfungsbeschlusses der Verfassungsrichter liegen derStandard.at nun vor.

Dass im Hochschülerschaftsgesetz grundsätzlich E-Voting als eine Möglichkeit bei den ÖH-Wahlen vorgesehen ist, finden die Verfassungsrichter nicht problematisch. Dass es bei der ÖH-Wahl, die in den Augen der Verfassungsrichter nicht mit einer Wahl zum Nationalrat zu vergleichen ist, eine solche Möglichkeit gibt, verstößt noch nicht gegen die Verfassung.

Wahlgrundsätze müssen eingehalten werden

Die Möglichkeit des E-Voting müsse allerdings so geregelt sein, dass es mit den im Gesetz festgelegten Wahlgrundsätzen für die ÖH-Wahl zusammenpasst, heißt es. Dass das so ist, bezweifeln die Verfassungsrichter. Sie haben Bedenken, dass die Wahlordnung der ÖH-Wahl - verordnet durch den damaligen Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) - für das E-Voting den Ansprüchen der Wahlgrundsätze gerecht wird. Deshalb wurde nun ein Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet, das klären soll ob diese Verordnung des Wissenschaftsministers dem Gesetz entspricht.

Aufgaben der Wahlkommission nicht erfüllbar

Die zentralen Bedenken des Verfassungsgerichtshofs sind: Die Wahlordnung dürfte gar nicht oder nur unzulänglich regeln, auf welche Weise die Wahlkommission ihre Aufgaben - wie Prüfung der Identität der Wahlberechtigung, Entscheidung über Gültigkeit von Stimmen, Feststellung des Wahlergebnisses - überhaupt erfüllen soll.

Kontrolle des Quellcodes

Der VfGH ist zudem auch der Ansicht, dass die Wahlordnung genau regeln muss, welches technische System genau zum Einsatz kommt. Das sei nicht der Fall gewesen. Außerdem scheint es notwendig zu sein, auch den Quellcode der Software einer der Öffentlichkeit zugänglichen Kontrolle zu ermöglichen. Hier kritisierte etwa die GRAS, dass die wahlwerbenden Fraktionen zwar die Möglichkeit bekommen hätten, den Quellcode des Wahlprogramms einzusehen; der Termin sei allerdings "eine Farce" gewesen. Auch eine Neuauszählung der Stimmen sei beim E-Voting nicht gewährleistet, man habe "schlicht darauf zu vertrauen", dass die Software ein korrektes Wahlergebnis produziert, hieß es in der Beschwerde der GRAS. 

Der Verfassungsgerichtshof hält fest, dass jene gesetzlichen Bestimmungen, die E-Voting regeln, so gestaltet sein müssen, dass es - letztlich auch für den Verfassungsgerichtshof - möglich ist, die Einhaltung der Wahlgrundsätze zu prüfen. Bei der Wahlordnung scheint es so zu sein, dass dies nicht der Fall ist und vor allem die Vorgaben und Kriterien, wie die Wahlkommission die Einhaltung der Wahlgrundsätze prüfen soll, fehlen. 

Kritik am Zeitraum

Außerdem dürfte auch noch gesetzwidrig sein, dass der Zeitraum der Stimmabgabe für E-Voting anders geregelt war als der für die Papierwahl. Die elektronische Stimmabgabe war in der Woche vor der klassischen Urnenwahl (26.-28.5.2009), vom 18. bis 22. Mai möglich.

Wieder neun Monate warten

Das Verordnungsprüfungsverfahren des Verfassungsgerichtshofes wurde mit dem Prüfungsbeschluss eingeleitet. Die Regierung wird Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Bedenken erhalten. Das Verfahren wird rund neun Monate dauern. Dann wird der VfGH entscheiden, ob die Wahlordnung zu E-Voting tatsächlich gesetzeswidrig ist oder nicht. 

"Spitze des Eisberges"

Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) hat zwar am Mittwoch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) begrüßt, die Wahlordnung zum 2009 erstmals eingesetzten E-Voting bei den Wahlen der Studentenvertreter zu prüfen. Doch: "E-Voting war lediglich die Spitze des Eisberges", so Vize-ÖH-Chefin Angelika Gruber (Verband Sozialistischer StudentInnen, VSStÖ). Das gesamte ÖH-Wahlrecht müsse reformiert werden, da es durch die indirekte Ermittlung der Bundesvertretung die Grundprinzipien einer demokratischen Wahl verletze, hieß es in einer Aussendung.

Seit 2005 werden nur noch die 21 Universitätsvertretungen (UV) und die Studienvertretungen direkt gewählt, die Mandatare für die Bundesvertretung (BV), werden je nach Uni-Resultat entsandt. Durch dieses System gelte aber bei ÖH-Wahlen nicht mehr das demokratische Prinzip "one voice - one vote", bemängelt Martin Schott (Fachschaftslisten, FLÖ) vom Vorsitzteam. Für ein BV-Mandat an einer kleinen Uni wie Klagenfurt brauche man dadurch nur etwa halb so viele Stimmen wie an der Uni Wien. Im Herbst will die ÖH deshalb mit Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (V) über eine Wahlrechtsreform sprechen.

Töchterle "gesprächsbereit"

Dieser betonte erneut: "Ich bin generell gesprächsbereit, was eine ÖH-Wahlrechtsreform betrifft." Der VfGH-Beschluss, die E-Voting-Verordnung zu prüfen, wurde aus dem Wissenschaftsministerium am Mittwoch hingegen zurückhaltend kommentiert. Man dürfe E-Voting im elektronischen Zeitalter nicht isoliert betrachten. Die Wiedereinführung der elektronischen Stimmabgabe bei ÖH-Wahlen sei aber "keine aktuelle Frage".

SP-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter sieht hingegen die Bedenken des VfGH als Bestätigung der klaren SPÖ-Position und erteilte der elektronischen Stimmabgabe eine generelle Absage: "Die gravierenden Mängel des E-Votings sind unbestreitbar und somit hat das E-Voting in einer entwickelten Demokratie nichts verloren."

Aus Sicht von Eva Pentz (GRAS) "kann man sich sehr große Hoffnungen machen, dass es zu einer Aufhebung der Verordnung kommt". Der VfGH sei sehr detailliert auf die Kritikpunkte der GRAS eingegangen, sagte sie zur APA. Der Prüfungsbeschluss zeige, dass dieser "sehr große Zweifel an der Verfassungskonformität von E-Voting hat".

"Wahlgrundsätze eingehalten"

Auch Grünen-Verfassungssprecherin Daniela Musiol zeigte sich gegenüber der APA erfreut, dass der VfGH auf die demokratiepolitischen Bedenken eingegangen sei und sieht den Prüfungsbeschluss als "Absage an Minister Johannes Hahn und sein Prestigeprojekt". "Es ist erfreulich, dass es noch Institutionen in Österreich gibt, die darauf schauen, dass die Wahlgrundsätze eingehalten werden." (rwh, APA, derStandard.at, 3.8.2011)