Eisenstadt - Seit 2007 finden im sogenannten Kloaschützwald bei Sigleß im burgenländischen Bezirk Mattersburg Grabungen statt. Objekte des archäologischen Interesses sind awarische Hügelgräber - zum Großteil handelt es sich dabei um Massengräber. Die Holzgräber sind großteils aus Eiche gefertigt und enthalten die Überreste von Frauen, Männern und Kindern. Nun ist die hauptverantwortliche Archäologin Dorothea Talaa mit ihren Mitarbeitern auf eine Seltenheit gestoßen: Freigelegt wurden die sterblichen Überreste einer Stammesanführerin aus dem neunten Jahrhundert, erklärte Talaa. 

Die Awaren waren ein Volk von Reiternomaden, das ursprünglich aus Zentralasien stammen dürfte - ihre genaue Herkunft oder ethnische Zugehörigkeit ist jedoch nicht vollständig geklärt. Ab dem 6. Jahrhundert breiteten sie sich Richtung Westen aus und konnten sich vor allem im Pannonischen Raum für einige Jahrhunderte etablieren. Ihr Einflussgebiet erstreckte sich teilweise bis ins heutige Russland, die Balkanhalbinsel und im Norden bis zur Ostsee. Etwa um das Jahr 800 belagerten sie das Gebiet der aktuellen Ausgrabungen. Durch Einflüsse aus Nordeuropa, dem Baltikum und Asien ergab sich eine besondere Kombination von Bestattungsritualen, berichtete die Archäologin.

Der Fund

"Der herausragende Fund befand sich in einer Grabkammer mit Holzverkleidung, wie es damals vor allem im asiatischen Raum vorkam", erklärte die Archäologin. "Der Schacht enthielt jedoch ebenfalls einen Holzsarg, was normalerweise typisch für Europa ist." Die enorm breite Grabkammer war mit einer Glasperlenkette, Messern und zwei qualitativ hochwertigen Ringen sowie Opferbeigaben in Form von Geflügel ausgestattet, berichtete die Ausgrabungsexpertin.

Ein Gefäß mit verglühter Holzkohle deute darauf hin, dass die Bestattungszeremonie in der Nacht stattgefunden habe. Das solle vermutlich den Toten den Weg ins Jenseits bereitet haben, erzählte Talaa. Drei Rinderschädel mit Fellanhang als Würdeabzeichen waren ebenso beigelegt. Es sei das erste Mal in diesem Waldstück, dass eine Person mit derart hoher Rangstufe freigelegt wurde.

"Der Inhalt der Särge zeigt, aus welchen Familien die Verstorbenen kamen. Je angesehener und höher gestellt jemand war, desto reicher wurde dieser mit Schmuck und Waffen sowie Speisen ins Jenseits verabschiedet", schilderte die Wissenschafterin."Dies begann schon bei Kleinstkindern."

Die Ausgrabungen

Dorothea Talaa rechnet in drei Jahren mit der kompletten Fertigstellung, da dem Forschungsteam jeweils immer nur sechs Wochen Zeit bleibt, die Ausgrabungen aktiv zu betreiben. Den Rest des Jahres verbringe man mit der Bearbeitung der Funde, um sie dann an das Museum Sigleß weiterzugeben. "Wenn wir unsere Wurzeln nicht kennen, dann können wir unsere Probleme nicht in den Griff bekommen - in jeder Hinsicht", so die Archäologin. Der Forscherin geht es vor allem darum, das kulturelle Erbe nicht zu zerstören und für die Bürger, welche durch ihre Steuergelder an der Finanzierung des Projektes beteiligt sind, das Bestmögliche herauszuholen. (APA/red)