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Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg beim Begräbnis eines Attentatsopfers. Täter Breivik bezog sich in seinem Manifest auf Rechte, die an die vom Islam verursachte Apokalypse glauben.

Foto: REUTERS/Stoyan Nenov

Oslo/Wien - Insgesamt 70-mal hat sich Anders Breivik in seinem 1500 Seiten starken Konvolut auf Österreich bezogen - und er hat es an ausgewählte Adressen (unter anderem an einen österreichischen Rechtsradikalen) verschickt, bevor er in Oslo Bomben legte und auf Utöya ein Massaker beging.

Heribert Schiedel, Rechtsextremismus-Experte am Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW), hat sich die Stellen angesehen - besonders jene, wo sich Breivik auf eine "Wiener Schule" bezieht.

Der geständige Attentäter bezog sich dabei vor allem auf den Anti-Islam-Blog "Gates of Vienna" und artverwandte Beiträge. Eine rechtsgerichtete "Wiener Schule" im wissenschaftlichen Sinne sei das freilich nicht, sagt Schiedel. Vielmehr handle es sich um eine "neue, elitäre Ausformung der politischen Rechten, die esoterisch angehaucht ist". Die Vertreter dieser selbsternannten "Schule" glaubten an die Apokalypse, verursacht vom Islam. Insofern seien die "Counter-Djihadisten" auf den ersten Blick nicht antisemitisch - im Gegenteil, sie suchten sogar den Kontakt mit der Rechten in Israel, "weil sie Israel als letzte Speerspitze des Westens gegen den Islam ansehen" (Schiedel). Daraus ergebe sich auch eine Verbindung zur FPÖ und anderen Rechtsaußenpolitikern Europas - H.-C. Strache, Vlaams-Belang und Schwedendemokraten erwähnten in der "Jerusalemer Erklärung" gleichwohl die "Juden im Exil", die nicht in Israel lebten. "Das ist eine Instrumentalisierung und Kategorisierung, die sehr wohl antisemitische Anklänge hat", sagt Experte Schiedel.

Absurderweise seien die Djihadisten und die Anti-Djihadisten genau in dem Punkt, den Nahost-konflikt als religiöse Auseinandersetzung zu sehen, einer Meinung. Getragen werde die Bewegung vom "rechten Flügel des Konservativismus, in Österreich von der Braunzone der ÖVP", analysiert Schiedel. Lange habe die Wissenschaft geglaubt, diese intellektuell argumentierenden Leute, oftmals Akademiker und auch an Universitäten tätig, seien schon unter Jörg Haider zur FPÖ abgewandert - "da haben wir uns geirrt". Nationalistische Islamfeinde seien freilich keine Rechtsradikalen im herkömmlichen Sinn. Schiedel: "Wir sprechen von Rechts-Konservativismus."

Auf "Gates of Vienna", wo sich auch der von Breivik verehrte "Fjordman" herumtreibt, ist auch Elisabeth Sabaditsch-Wolff aktiv. Die österreichische Diplomaten-Tochter, die in den 90er-Jahren für den damaligen Vizekanzler Wolfgang Schüssel arbeitete und sich in den letzten Jahren in diversen rechten Foren und bei Parteiveranstaltungen europäischer Rechter als "Islam-Gegnerin" hervortat (und wegen Herabwürdigung der Religion zu einer Geldstrafe verurteilt wurde), hatte Straches Jerusalemer Reise mit eingefädelt. Sie koordiniert das "Netzwerk Karl Martell", das alle islamfeindlichen Organisationen koordinieren soll. Sabaditsch-Wolff distanziert sich nun, wie auch "Fjordman", vom Verehrer der "Wiener Schule", Breivik. So leicht könne man es sich freilich nicht machen, befindet Schiedel: "Diese Leute führen einen paranoiden Diskurs. Und dieser Diskurs hat einen paranoiden Täter strukturiert und seinem Verfolgungswahn ein Gefäß gegeben." Wer diesen Diskurs weiterführe, meint Schiedel, "kann nun, nach Oslo, nicht mehr sagen, er oder sie habe nicht geahnt, wohin das führen kann". Leider fürchte er, sagt der DÖW-Mann, "dass das Geschäft mit der Angst weitergeführt wird - dazu läuft es zu gut".

Breiviks Kontakte sind so verwirrend wie seine zunehmend abstruser werdenden Forderungen. Denn er pflegte offenbar auch Umgang mit "klassischen" Neonazis - und die verachten die Rechtskonservativen, denen Breivik ebenfalls huldigte. Anti-Djihadisten seien, nach Meinung dieser Gruppierung, nicht konsequent genug in ihren Schlüssen, erklärt Schiedel: So glauben Rechtsradikale, Muslime würden nur "vorgeschickt", um das Europa der Ethnien zu zerstören - und zwar von den "Globalisten", hinter denen niemand anderer stecke als die "amerikanische Ostküste". Schiedel: "Globalisten ist ein antisemitischer Code. Er bedeutet, die Juden steckten hinter der Islamisierung." Unlogisch sei das in dieser Denk-"Schule" nicht: "Dahinter steckt die Verschwörungstheorie, das , internationale Kapital' wolle alle gleich machen, um billige Sklavenarbeiter zu bekommen, die man nach Belieben unterdrücken kann." (Petra Stuiber, DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2011)