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Mit der Unterzeichnung des "Budget Control Act" konnte Barack Obama die Staatspleite in letzter Minute abwenden. Der US-Präsident bleibt aber politisch angeschlagen.

Foto: REUTERS/Pete Souza/The White House/Handout

Er will weg, nur noch weg. Die Stadt verlassen, die ihn nichts als Nerven kostet. Keine Stunde länger als nötig bleibt US-Präsident Barack Obama in Washington. Kaum ist der Schuldenstreit ausgestanden und die Staatspleite in letzter Minute abgewendet, fliegt er auch schon zum Fundraising nach Chicago, in die alte Heimat.

Heute, Donnerstag, wird Obama 50 Jahre alt - es ist ein Geburtstag ganz im Zeichen des frühen Wahlkampfes für 2012, nach zwei deprimierenden Monaten, in denen der Präsident von der Tea Party regelrecht vorgeführt wurde. Der Streit hat Spuren hinterlassen, man sieht sie in Obamas Gesicht: Die grauen Partien im Haar werden größer, die Furchen um den Mund tiefer und härter.

Die Krise, der Poker ums Schuldenlimit, hat Zeit gekostet. Sie hat alles, was er sonst noch anpacken wollte, blockiert - und den Präsidenten, der sich im Mai nach der Tötung Osama Bin Ladens in einem Zwischenhoch sonnte, in den Umfragen abstürzen lassen. Laut Gallup stimmen nur noch 44 Prozent der Amerikaner seiner Amtsführung zu.

Kein Zweifel, Obama will ihn nur noch abhaken, den Streit ums Geld. Nach vorn blicken. Kaum hat er den "Budget Control Act" unterzeichnet, spricht er von den Arbeitsplätzen, die endlich geschaffen werden müssten. Und sofort gibt es hämische Zwischenrufe: Jobs, davon rede er doch schon seit Jahren, ohne dass etwas geschehe, höhnt Michele Bachmann, die neue Galionsfigur der Tea Party. Ständig finde er neue Ausreden, fügt sie hinzu: das Erdbeben in Japan, frühere Administrationen, verheerende Tornados.

Der Harvard-Professor Larry Summers, einst ökonomischer Chefberater im Weißen Haus, beklagt die falschen Prioritäten, wie die Republikaner sie setzen. Angesichts des drohenden Rückfalls in die Rezession sei es viel wichtiger, das Wachstum anzukurbeln, statt sich auf den Abbau des Defizits zu versteifen. Der rigorose Sparkurs binde der Politik die Hände, neue Konjunkturprogramme seien praktisch nicht mehr möglich. Angesichts des Dilemmas, schreibt Summers in der Washington Post, wäre es überraschend, würde die Arbeitslosigkeit bis Ende 2012 auf weniger als 8,5 Prozent sinken.

Obama steckt in einer Zwangsjacke, aus der er sich aus eigener Kraft kaum befreien kann. Schon wird diskutiert, ob er überhaupt eine Chance auf eine zweite Amtszeit hat.

Entwürfe liegen auf Halde

Bei der Linken werden Stimmen nach einem parteiinternen Herausforderer laut, doch Alternativen sind nicht in Sicht. Die Rechte wiederum bleibt bei ihrer Fundamentalopposition: rücksichtslos, aber erfolgreich. Man werde alles tun, damit Obama nur vier und nicht acht Jahre regiere, hat Mitch McConnell, der republikanische Vormann im Senat, einmal in der Öffentlichkeit getönt. Seit die Konservativen die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben, bremsen sie ihn, den Hoffnungsträger, der Amerika reformieren wollte.

Die großen Entwürfe liegen auf Halde. Der Traum von der nuklearwaffenfreien Welt? Kein Thema mehr. Eine ökologische Erneuerung der USA? Der Fiskus kann dafür kaum Anreize geben. Selbst ein überschaubares Projekt wie die Schließung des Lagers Guantánamo wurde auf Eis gelegt. Außenpolitische Debatten werden zurzeit nur in Fachzirkeln geführt.

Lediglich das Defizit zu reduzieren, sagt Obama, könne ja wohl nicht die gesamte Agenda sein. "Wir werden mehr tun müssen als das." Fast klingt es flehentlich, wie bei einem Rufer in der Wüste. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2011)