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Bunte Pillen, elektronisch dokumentiert: Mehr Sicherheit und weniger Mehrfachverschreibungen sollte die E-Medikation eigentlich bringen, bisher handelte sich der Hauptverband vor allem Brösel ein.

Foto: AP/Lenhinan

Wien - Die Ärztekammer läuft weiter Sturm gegen die E-Medikation - also die elektronische Erfassung der Medikamenten-Ausgabe, die die Sicherheit erhöhen und Mehrfachverschreibungen ausschließen soll. Derzeit wird sie im Rahmen von Pilotprojekten in Wien, Oberösterreich und Tirol getestet wird. Nun befassen die Ärzte die EU-Kommission mit dem Thema, konkret mit der Vergabe des gesamten Pilotprojektes. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger wurde vom Bundesvergabeamt bereits zu 24.000 Euro Geldbuße verurteilt, weil die Software, die die Ärzte in ihren Ordinationen verwenden müssen, nicht ausgeschrieben worden war.

Der Hauptvertrag zwischen der pharmazeutischen Gehaltskasse und dem Hauptverband wurde vom Bundesvergabeamt nicht überprüft, weil eine Frist dafür abgelaufen war; geregelt ist darin unter anderem die Verknüpfung der Medikamenten- und Patientendatenbanken. Für die entsprechende Software gab es kein Vergabeverfahren, die Beteiligten berufen sich darauf, dass dies bei einem Vertrag zwischen zwei öffentlichen Auftraggebern nicht erforderlich sei. Die Ärztekammer sieht das anders: Die Gehaltskasse sei "der verlängerte Arm der Apothekerkammer" , sagte der damit befasste Rechtsanwalt Martin Oder dem Standard, und habe daher nicht die selben Aufgaben wie der Hauptverband. Außerdem könne sie diese Leistung ohnehin nicht selbst erbringen und habe sie von einem Privaten - konkret von Siemens - zugekauft. Die Ausschreibung sei daher "doppelt umgangen" worden, sagt Oder.

Der Rechtsanwalt geht davon aus, dass die Kommission in den nächsten Monaten darüber entscheidet, ob sie ein Verfahren einleiten wird. In der Regel wird der Republik in solchen Fällen eine dreimonatige Frist für eine Stellungnahme eingeräumt.

Die Ärztekammer veröffentlichte am Mittwoch außerdem Zahlen, die den Vizepräsidenten der Wiener Ärztekammer, Johannes Steinhart, schließen lassen, dass das Patienteninteresse völlig erlahmt sei. Nur zwei bis drei Patienten pro Tag hätten im Juli im Schnitt teilgenommen, für Steinhart "kommt das einer Bankrotterklärung für das Projektmanagement des Hauptverbands gleich" . Dieser hatte als Ziel 50.000 Teilnehmer angegeben, laut Ärzten sind es aber nur 6500. Eine adäquate Auswertung des Pilotprojekts E-Medikation ist daher für Steinhart unmöglich. Er fordert einen Stopp des aktuellen Projekts und eine Neuausschreibung. Die Wiener Ärztekammer will die E-Medikation nicht fortsetzen, so lange es kein Urteil der EU-Kommission gibt.

Im Gesundheitsministerium ist man nach wie vor "zuversichtlich, dass das Projekt zu einem guten Ergebnis kommen wird" , sagte ein Sprecher von Minister Alois Stöger (SPÖ) dem Standard. Der Hauptverband sei von der Bundesgesundheitskommission mit der E-Medikation betraut worden, und man gehe davon aus, dass er allfällige Probleme lösen werde. Der Minister hatte in Aussicht gestellt, mit dem Regelbetrieb der E-Medikation 2012 zu starten. (Andrea Heigl, DER STANDARD; Printausgabe, 4.8.2011)