New York - Nach wochenlangem Tauziehen hat sich der UNO-Sicherheitsrat am heutigen Mittwoch erstmals zu einer Verurteilung der brutalen Niederschlagung der Oppositionsproteste in Syrien durchgerungen. In einer vom indischen UNO-Botschafter Hardeep Singh verlesenen Erklärung kritisierte das mächtigste UNO-Gremium die "weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen und Gewaltanwendung gegen Zivilisten durch syrische Behörden". Bei den seit Mitte März andauernden Protesten gegen Machthaber Bashar al-Assad sind bereits mehr als 1400 Menschen getötet worden.

Juristisch und politisch schwächstes Dokument

Bei dem Text handelt es sich um eine "Präsidentielle Erklärung", die vom amtierenden Vorsitzenden des Sicherheitsrates im Namen des Gremiums verlesen wird. Sie gilt als juristisch und politisch schwächstes Dokument des Sicherheitsrates. Als einziges der 15 Ratsmitglieder distanzierte sich Libanon von dem Papier. Die Erklärung werde nicht dabei helfen, die Krise in Syrien beizulegen, sagte ein libanesischer UNO-Diplomat. Das arabische Land hat jedoch anders als die Atommächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich kein Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat. Der französische Außenminister Alain Juppe sprach von einem "Wendepunkt" in der Haltung der internationalen Gemeinschaft gegenüber Syrien.

Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen

In dem Text heißt es weiter, dass die Verantwortlichen für die Gewalttaten "zur Rechenschaft gezogen" werden sollen. Als Zugeständnis an die beiden Vetomächte Russland und China wurden jedoch auch die Oppositionellen aufgerufen, "größtmögliche Zurückhaltung" walten zu lassen und von Angriffen auf Regierungseinrichtungen abzusehen. Außerdem wurde die von europäischen Staaten erhobene Forderung nach einer Untersuchung durch den UNO-Menschenrechtsrat fallen gelassen. Allerdings wird Syrien aufgerufen, seinen "völkerrechtlichen Verpflichtungen" nachzukommen und "die Menschenrechte in vollem Umfang zu respektieren".

Der russische UNO-Gesandte Witali Tschurkin nannte die neue Version "ausgewogen". Neben Russland und China hatten auch Indien, Brasilien und Südafrika einer Erklärung zu Syrien mit Skepsis gegenüberstanden, weshalb es bisher zu keiner Einigung gekommen war.

Gewalt gegen Protestbewegung

Die syrischen Sicherheitskräfte gehen seit Monaten gewaltsam gegen die Protestbewegung im Land vor, wobei seit Mitte März mehr als 1400 Menschen getötet worden sein sollen. Mit dem Sturm der Armee auf die Stadt Hama hatte die Gewalt am Wochenende einen neuen brutalen Höhepunkt erreicht. Augenzeugenberichten starben am Sonntag mehr als 100 Menschen bei der Armeeaktion in Hama. Am heutigen Mittwoch rollten die Panzer wieder in Hama und der zweiten Oppositionshochburg Deir al-Zor ein. "Das Regime nutzt es aus, dass die Medien sich auf den Prozess gegen Hosni Mubarak konzentrieren, um Hama fertigzumachen", berichtete ein Bewohner von Hama über ein Satellitentelefon.

Kritik der USA an Assad

Die USA bekräftigten unterdessen ihre massive Kritik an Syrien. Außenamtssprecher Jay Carney machte am Mittwoch den Staatschef persönlich für die Instabilität im Land verantwortlich. "Ohne Präsident Assad wäre es in Syrien besser", erklärte er. Zuvor hatten US-Senatoren harsche Sanktionen gegen das Regime in Damaskus gefordert. Die Handelsblockaden sollten vor allem den Energiesektor treffen, sagte Senator Mark Kirk. Sein Kollege Joseph Lieberman sagte, es sei Zeit, den Übergang zur Demokratie zu unterstützen.

Rückendeckung für Syrien kam dagegen vom iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad. In einem Interview mit dem Sender Euronews sagte Ahmadinejad am Mittwochabend, in Syrien rührten "viele Dinge von ausländischer Einmischung" her. "Wenn sich andere Nationen nicht einmischen, könnten die Völker des Nahen Ostens ihr Schicksal in die Hände nehmen", sagte er. (APA)