In Japans krisengebeutelter Industrie zeichnet sich eine bahnbrechende Großfusion ab. Der größte Mischkonzern des Landes, Hitachi, und der führende Hersteller von Schwermaschinen, Mitsubishi Heavy Industries, erwägen Kreisen zufolge die Zusammenlegung ihres Kerngeschäfts. Damit steht die Schaffung eines weltweiten Schwergewichts in Konkurrenz zu General Electric oder Siemens mit einem Jahresumsatz von 150 Mrd. Dollar (104,9 Mrd. Euro) Anfang 2013 bevor.

Konsolidierung

Die beiden Konzerne hätten Gespräche über die Kombination der wichtigen Infrastruktur- und Informationstechnologie-Geschäfte aufgenommen, sagten drei mit den Verhandlungen vertraute Personen am Donnerstag. Ein Zusammenschluss von zwei der ältesten Konzerne des Landes könnte die dringend notwendige Konsolidierung in Japans Industrie anstoßen. Bisher sind japanische Firmen davor zurückgeschreckt.

"Das wird ein historisches Ereignis, wenn es sich bewahrheiten sollte", sagte Analyst Fujido Ando von Chibagin Asset Management. "Wenn sie das durchsetzen und einen neuen Konzern aus verschiedenen anderen Unternehmen formen, verdient das großes Lob." Ein solcher Schritt galt bisher in Japan als extrem schwer umzusetzen. Ein Zusammenschluss könnte der Wirtschaft des Landes jedoch helfen, sagte Fondsmanager Kiyoshi Noda von MU Investments. "Sie müssten nicht mehr gegeneinander antreten, wenn sie sich um internationale Infrastruktur-Projekte bemühen. Das erhöht ihre Chancen."

"Wer übernimmt wo die Führung?"

Entscheidungen seien noch keine gefällt worden, hieß es in den Kreisen. Viele Grundsatzfragen seien noch offen: "Wer übernimmt wo die Führung? Was passiert mit Geschäften, die sich überschneiden? Was geschieht mit den Allianzen der beiden Konzerne?", zählte eine der mit den Plänen vertraute Personen auf. Zuletzt sollen die Gespräche den Kreisen zufolge sogar auf der Kippe gestanden haben, nachdem die Wirtschaftszeitung "Nikkei" davon berichtet hatte. Eine für Donnerstag angekündigte Mitteilung wurde wieder zurückgezogen.

Japanische Industriekonzerne leiden unter der Schwäche der Weltwirtschaft und einem starken Yen, der ihre Produkte im Ausland extrem verteuert. Das Land stemmt sich jedoch mit Macht gegen die Konjunkturschwäche, die durch das Erdbeben und den Tsunami im März diesen Jahres, noch verstärkt wurde. Am Donnerstag lockerte die Notenbank des Landes ihre ohnehin laxe Geldpolitik weiter und intervenierte am Devisenmarkt gegen den starken Yen.

Reiskocher, Fernseher, Bagger, Rasenmäher und Computer-Chips

Um wettbewerbsfähig bleiben zu können und Kosten einzusparen, sind Zusammenschlüsse offenbar in den Vordergrund gerückt. Sowohl Hitachi, dessen Produktpalette auch Reiskocher, Fernseher, Bagger, Rasenmäher und Computer-Chips umfasst, als auch Mitsubishi Heavy haben seit Jahren unter ihren hohen Kosten. Hitachi gelang es im letzten Geschäftsjahr (per Ende März) das erste Mal seit fünf Jahren, schwarze Zahlen zu schreiben. In den letzten zehn Jahren hat der Konzern 14,3 Mrd. Dollar verloren. Zum Vergleich: der weltgrößte Mischkonzern General Electric verdiente im selben Zeitraum 160 Mrd. Dollar. Mitsubishi Heavy hadert mit seinen Schiff- und Flugzeugbausparten. Insgesamt fiel der operative Gewinn des Boeing-Partners Angaben vom Donnerstag zufolge im ersten Quartal binnen Jahresfrist um ein Prozent auf 38,7 Mrd. Yen (351 Mio. Euro).

Zusammen kämen Hitachi und Mitsubishi Heavy auf Erlöse von 150 Mrd. Dollar und wären damit nach GE das zweitgrößte Infrastruktur-Unternehmen der Welt, das neben Atomanlagen und herkömmlichen Kraftwerken auch Wasseraufbereitung, erneuerbare Energien und Eisenbahnwagen im Angebot hat. Nach Marktwert wäre der neue Konzern im Verhältnis zu anderen Mischkonzernen wie GE, Siemens oder ABB aber immer noch klein. Hitachi kommt auf 27 Mrd. Dollar und Mitsubishi Heavy auf 16 Mrd. Dollar. GE hat einen Marktwert von 182 Mrd. Dollar und Siemens von knapp 110 Mrd. Dollar. (APA)