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Bei kleineren Aufträgen kommt der Schweißbetrieb aus dem Ort eher zum Zug als die vielleicht günstigere Konkurrenz aus dem Ausland. Das Vergaberecht lässt hier einen gewissen Spielraum zu.

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Wien - Es ist ein milliardenschwerer Markt. Laut Schätzungen der EU-Kommission gehen 16 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung auf Aufträge der öffentlichen Hand zurück. Umso gewichtiger ist die Frage, zu welchen Bedingungen diese vergeben werden. Das Bundeskanzleramt plant nun in einem aktuellen Gesetzesentwurf Änderungen, die bei Experten zum Teil auf massive Bedenken stoßen.

  • Direktvergabe: Die Grenze für die formlose Direktvergabe wird von 100. 000 Euro wieder auf 40.000 Euro gesenkt (der Wert galt schon vor 2009). Bis zu diesem Betrag können Bund, Länder und Gemeinden also ihre Aufträge ohne jedes Verfahren vergeben. Gegen die 100.000er-Grenze gab es Bedenken aus Brüssel, sie war im Zuge der Wirtschaftskrise eingeführt worden, um die Auftragsvergabe an regionale Unternehmen zu erleichtern.
  • Weniger Rechtsschutz: Gleichzeitig werden aber auch die Rechte von unterlegenen Bietern eingeschränkt. Bei Aufträgen bis 60.000 Euro (hier müssen mehrere Angebote eingeholt werden) muss nämlich die Zuschlagsentscheidung nicht mehr veröffentlicht werden. Die Folge: Wer ungerechtfertigterweise bei einer Vergabe nicht zum Zug kommt, kann keinen Einspruch mehr erheben und somit das Verfahren nicht stoppen, erklärt Vergaberechtsexperte Robert Keisler von der Kanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz im Gespräch mit dem Standard.
  • Neues Verfahren: Gleiches gilt für das neue Verfahren "Direktvergabe nach vorheriger Markterkundung". Unter diesem Titel können Aufträge bis 100.000 Euro vergeben werden. Da auch hier die unterlegenen Bieter nicht informiert werden, spricht Experte Manfred Essletzbichler von der Kanzlei Wolf Theiss von einem "Rückschritt in die vergaberechtliche Steinzeit". Nur im Nachhinein kann man theoretisch auf Schadenersatz klagen. Da der entgangene Gewinn in solchen Fällen nicht sehr groß sei, werde das aber wohl kaum jemand machen, sind sich die Experten einig.

Immerhin müssen diese Aufträge aber ausgeschrieben werden. Auch muss im Vorhinein veröffentlicht werden, nach welchen Kriterien Bewerber ausgesucht werden und die Vergabe erfolgt. Allerdings kann sich die öffentliche Hand dafür entscheiden, nur ein Angebot einzuholen.

Daher bleibt ein großer Spielraum bei den Auftraggebern. Vor allem Gemeindevertreter legen Wert darauf, dass Betriebe in ihrer Umgebung zum Zug kommen. Kritiker halten dem entgegen, dass durch den fehlenden Wettbewerb die öffentlichen Budgets unnötig hoch belastet werden. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter ziehen hier an einem Strang. Werden Aufträge an heimische Betriebe vergeben, profitieren schließlich auch deren Beschäftigten davon. Wie zu hören ist, hätten sie sogar am liebsten gehabt, dass freihändige Vergaben weiterhin bis 100.000 Euro möglich sind.

Anwalt Keisler hält die Einschränkung des Rechtsschutzes dennoch für ungerechtfertigt. Die Einspruchsquote sei in den vergangenen Jahren nicht gestiegen. Das Bundesvergabeamt müsse binnen sechs Wochen entscheiden. Wurde korrekt vergeben, komme es also zu keinen langen Verzögerungen.(Günther Oswald, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 5.8.2011)