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Franken- und Euroscheine in einer Warschauer Bank. Franken-Kredite waren im Osten beliebt.

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Wien - Verantwortlich für die zunehmenden Turbulenzen im Osten ist die rapide Aufwertung des Schweizer Franken. Seit August 2009 hat der Franken gegenüber dem ungarischen Forint und der kroatischen Kuna um 41 Prozent aufgewertet, gegenüber dem polnischen Zloty um immerhin 36 Prozent. In den vergangenen Wochen hat sich dieser Trend verschärft. Auch die Interventionen der Schweizer Notenbank, die versucht, den Franken zu schwächen, konnten bisher nichts ändern.

Unter den Folgen litten zunächst vor allem private Haushalte: In Ungarn wurden fast zwei Drittel aller Privatkredite in Franken vergeben. In Polen beträgt der Franken-Anteil 35 Prozent. Die Zahl der Menschen, die ihre Darlehen nicht mehr bedienen können, ist in den vergangenen zwei Jahren explosionsartig gestiegen.

In Ungarn musste nun aber auch der Gemeindeverband um Hilfe ansuchen. Angelockt von niedrigeren Zinsen, haben Ortschaften von Debrecen bis Szombathely einen Franken-Schuldenberg im Wert von 850 Mrd. Forint (ca. 3,1 Mrd. Euro angehäuft). Die meisten mit den Banken abgeschlossenen Vereinbarungen wurden 2007 und 2008 unterzeichnet.

Die Verträge sehen vor, dass die Gemeinden drei Jahre lang nur Zinsen bedienen und erst danach anfangen, Kreditraten abzuzahlen. Damit stehen für die meisten Orte die ersten Ratenzahlungen genau jetzt an, wo der Franken auf Rekordhoch ist. Der Gemeindebund hat die Regierung gebeten, einen einjährigen Zahlungsaufschub mit Kreditinstituten auszuhandeln. Ob die Banken zustimmen oder einige Orte in den Bankrott schlittern, ist noch unklar.

Ernste Situation

"Die Situation ist ernst. Am Ende sollte es aber eine Einigung mit den Banken geben, oder der Staat übernimmt die Rechnung. Denn die Regierung kann es sich politisch nicht leisten, ganze Städte pleitegehen zu lassen", meint David Nemeth von der ING-Bank in Budapest.

Doch Ungarn bekommt auch an anderen Fronten Probleme. Die CDS, Credit Default Swaps, die angeben, wie hoch das Pleiterisiko eines Landes am Markt eingeschätzt wird, haben für ungarische Staatsanleihen ein Halbjahreshoch erreicht. "Die vielen Franken-Kredite sind eine wesentliche Ursache dafür", so Nemeth.

Denn die Schwierigkeiten der Menschen, ihre Kreditraten zu bezahlen, schlägt sich auch in den Bankbilanzen nieder, was wiederum die Risikoeinschätzung des Staates negativ beeinflusst.

Die Last der Fremdwährungsschulden ist zuletzt so groß geworden, dass in Ungarn eine Sonderregelung getroffen wurde. Banken und Regierung haben sich darauf geeinigt, einen fiktiven Wechselkurs festzulegen. Ein Franken kostet demnach 180 Forint (statt der derzeitigen 245). Bankkunden können ihre Kreditraten künftig zu diesem fiktiven Kurs begleichen. Den Differenzbetrag zum realen Kurs müssen sie erst nach 2015 bezahlen. Die gestundete Summe wird mit sieben Prozent verzinst. Ab kommender Woche Freitag kann jeder Schuldner freiwillig das neue Modell wählen. Der Staat haftet dafür, dass die Banken nach 2015 überhaupt etwas von der gestundeten Summe zurückbekommen.

Fiktiver Kurs

Die Idee macht inzwischen Schule: In Kroatien drängt die Regierung ebenfalls dazu, einen fiktiven Kurs festzusetzen. Finanzministerin Martina Dalic schlug am Mittwoch vor, den Franken-Kuna bei 1:5,8 festzusetzen. Tatsächlich kostet ein Franken derzeit rund 6,7 Kuna. Die Vereinbarung soll in Kroatien zehn Jahre lang laufen. Dalic forderte auch einen Zinsnachlass vonseiten der Banken für Kunden. Ab Mitte August sollen die neuen Verträge unterzeichnet werden. Was die Regierung tun wird, wenn die Banken nicht mitspielen, ist unklar.

Die Töchter österreichischer Banken haben in Osteuropa Fremdwährungskredite in Höhe von 80 Milliarden Euro vergeben. Hinzu kommen laut Notenbank noch einmal Devisendarlehen im Wert von 41 Milliarden, die direkt aus Österreich vergeben wurden. Das entspricht insgesamt 40 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.8.2011)