Wien - Bei der Entstehung von Keimzellen werden Chromosomen vielfach gebrochen und neu zusammengefügt. Ein Forschungsteam um Franz Klein, Professor für Genetik an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien, hat diesen Prozess mithilfe modernster Technologie mit Auflösung im Nanometer-Bereich untersucht. Dabei kamen auch überraschende Ergebnisse ans Licht, wie die Forscher in der Fachzeitschrift "Cell" berichten.

"Die Meiose ist ein rätselhafter Prozess"

Es gibt keine sexuelle Fortpflanzung ohne Meiose, denn nur bei dieser speziellen Zellteilung entstehen Keimzellen. Dabei teilt sich eine Zelle so, dass Tochterzellen mit einfachem, statt dem üblichen doppelten Chromosomensatz entstehen. Verschmilzt ein Spermium mit einer Eizelle bei der Befruchtung, so entsteht dadurch ein Embryo. Dessen Zellen haben wieder den doppelten Chromosomensatz.

In jeder menschlichen Zelle gibt es 46 Chromosomen, von denen je 23 von der Mutter und 23 vom Vater stammen. Werden Keimzellen produziert, wird die Halbierung unter anderem dadurch erreicht, dass aus je einem mütterlichen und einem väterlichen Chromosom ein einziges Tochterchromosom hergestellt wird - die sogenannte Rekombination. "Die Meiose ist ein rätselhafter Prozess. Es ist erstaunlich, dass väterliche und mütterliche Chromosomen einander überhaupt treffen", erklärt Franz Klein vom Department für Chromosomenbiologie der Universität Wien.

"Vor dem Zusammenpuzzeln ist jedes der 46 Chromosomen schon repliziert und bewegt sich wie ein siamesischer Zwilling mit seinem Schwesternchromosom durch den Zellkern. In allen anderen Körperzellen würden Chromosomen ausschließlich mit der eng verbundenen Schwester interagieren und sich austauschen. Das wäre aber für die Keimzellenbildung nicht genug, denn nur das Zusammentreffen der elterlichen Chromosomen garantiert, dass die entstehenden Keimzellen die richtige Anzahl an Chromosomen besitzen", so Klein.

Chromosomen-Topografie

Franz Klein und seine Forschungsgruppe haben Teile jener winzigen, DNA-brechenden Proteinmaschine untersucht, die die Rekombination auslöst. Dazu erstellten sie hochauflösende "Landkarten" der Chromosomen und zeichneten die Landeplätze dieser Proteine ein. "Dank 'DNA-Mikrochip-Technologie' erreichen wir eine Auflösung im Nanometer-Bereich und erhalten so völlig neue Einblicke", sagt Klein. So stellten die ForscherInnen überrascht fest, dass die DNA-brechenden Komplexe nicht wie andere Proteinmaschinen von Chromosom zu Chromosom schwimmen, sondern in den Chromosomen selbst verankert sind.

Wie bereits entstandene Brüche verhindern, dass in ihrer Umgebung weitere Brüche entstehen, war eines der ungeklärten Rätsel. Frühere Forschung hatte gezeigt, dass jede der DNA-brechenden Nanomaschinen nur einmal funktioniert. "Da wir nun wissen, dass sie fix verankert ist, ist klar, warum in einer bestimmten Gegend nur ein Bruch entstehen kann. Die lokale Maschine ist aufgebraucht und andere Maschinen sitzen an anderen Chromosomenstellen fest", erklärt der Genetiker.

Fehler im System

Gesunde Chromosomen können geordnete DNA-Schlaufen ausbilden, die in der Meiose durch eine Proteinachse verbunden sind. Durch fehlerhafte Gene verlieren Chromosomen diese Form. "Niemand hat bisher verstanden, wieso die Form der Chromosomen die Arbeit der DNA-brechenden Maschinen bestimmt. Wir wissen nun, dass die Maschinen zwischen den Schlaufen an der Chromosomenachse ankern müssen. Verändert sich das Schlaufenmuster, arbeiten die Maschinen an anderen Stellen - oder gar nicht mehr", sagt Klein.

Entlang der Chromosomenachse, wo die DNA-brechenden Maschinen verankert sind, hängen die Schwesterchromosomen wie siamesische Zwillinge zusammen. Obwohl die Schwester aufgrund ihrer Nähe die nächstgelegene Reparaturhelferin ist, mischt sie sich in die Reparatur der Brüche in der Meiose nicht ein.

Das Besondere an der Meiose ist die Ausbildung einer Rekombinationsverbotszone an der Chromosomenachse. "Wir denken, dass die DNA-brechenden Maschinen deswegen an der Achse verankert sind, damit die DNA-Brüche direkt in der Rekombinationsverbotszone entstehen. Denn dies lockt zunächst das Schwesterchromosom an, welches von einem gebrochenen DNA-Ende in der Rekombinationsverbotszone gehalten wird, während sich das andere DNA-Ende löst, um das väterliche Chromosom zu finden."

"Schwesterlicher Übereifer"

"Wir können vieles von diesem Szenario beweisen - am Wichtigsten ist jedoch unsere Beobachtung, dass das Schwesterchromosom alle Rekombination an sich reißt, wenn der von uns entdeckte Verankerungsmechanismus der Bruchmaschine defekt ist. Das zeigt, dass die Verankerung hilft, die Schwester unter Kontrolle zu halten. Gelingt das nicht, ist das Ergebnis des schwesterlichen Übereifers Tod oder Missbildung der aus den defekten Keimzellen entstehenden Embryos", so Franz Klein. (red)