Daniel Kehlmann.

Foto: Standard/Heribert Corn

Salzburg - Mit harscher Kritik am Regietheater hat Daniel Kehlmann als Redner vor zwei Jahren die Salzburger Festspiele eröffnet. Diese nahmen die Provokation zum Anlass, bei ihm ein Stück in Auftrag zu geben, für die Eröffnung des Theaterprogramms 2010. Es wurde nicht fertig: Die Uraufführung wurde auf heuer verschoben. Nun wurde Geister in Princeton in Salzburg zwar nicht uraufgeführt, aber immerhin in einer szenischen Lesung präsentiert, eingerichtet von Christopher Hampton. Die wirkliche Uraufführung erfolgt dann am 24. September am Schauspielhaus Graz.

Die Urlesung am Landestheater brachte zutage: Daniel Kehlmann kann nicht nur Bestseller schreiben, er hat auch einen großartigen ersten Bühnentext verfasst. Peter Jordan, derzeit Teufel und Gesell am Domplatz, las die Rolle des Kurt Gödel und brachte sie in mitreißender Ambivalenz auf die Bühne: den abgehobenen Wissenschaftler, der genug männlichen Instinkt besitzt, eine Nackttänzerin zu ehelichen.

Kurt Gödel revolutionierte 1930 mit seinem "Unvollständigkeitssatz" die Mathematik und etwas später, anlässlich einer Festrede zum Geburtstag seines Freundes Albert Einstein, demonstrierte Gödel, dass Zeitreisen rein logisch durchaus möglich seien. Hinreißend, wie Gödel seiner Frau, irgendwo im tiefsten Usbekistan verloren auf einem Koffer sitzend erklärt: "Du überschätzt die Bedeutung von Zeit und Raum" .

Zu Gödels Universum gehörten nicht nur Zeitreisen, auch Geister, die aus unterschiedlichen Epochen in seinem Leben herumspukten. Aus Respekt vor dem großen Mathematiker lässt Kehlmann sie ohne jeden Bühnenzauber ganz unprätentiös auftreten. Kehlmann: "Natürlich könnte man einfach sagen: Gödel sah Gespenster. Aber wenn ein so großer Mathematiker an die Existenz von Geistern glaubt, wer bin dann ich, der sagt, es gibt keine." Somit ist dieses Stück nicht von guten Geistern verlassen, auch nicht von bösen. Denn tatsächlich verhungerte Kurt Gödel 1976 wegen seines Verfolgungswahns: Er bildete sich ein, vergiftet zu werden.

Ein geistreicher, witziger Text von Kehlmann also, der am 24. September in Graz zur Uraufführung kommt. Obwohl kaum vorstellbar ist, dass die in nur drei Tagen eingerichtete Urlesung in Salzburg von Regisseurin Anna Badora mit Johannes Silberschneider als Gödel noch zu toppen sein kann. Zumindest dieser eine Theaterabend bestätigte die Entbehrlichkeit des Regietheaters, die Kehlmann 2009 propagiert hat: Wenn der Text und die Schauspieler sehr gut sind, kann das Theater auch ohne Regieeinfälle auskommen. (Sabine Macht, DER STANDARD - Printausgabe, 6./7. August 2011)