Spekulationen und Übertreibungen an den Märkten sind wahrlich nichts Neues. Sie gibt es, seit es Märkte gibt. Als erste relativ gut dokumentierte Spekulationsblase gilt die niederländische Tulpenkrise, die im Jahr 1637 mit einem rasanten Preisverfall bei Tulpenzwiebeln ihr Ende genommen hat.

Aber zurück zum Anfang. Wie war es möglich, dass Tulpenzwiebel zum Spekulationsgut avancierten? Das erklärt ein Blick in die Geschichte. Die Tulpe galt im Osmanischen Reich als eine der edelsten Blumen. Über Konstantinopel (Istanbul) gelangte die Pflanze nach Europa, vor allem in den Niederlanden wurde sie kultiviert und ob ihrer Farbenpracht geschätzt.

Die Liebhaber der Pflanze haben begonnen, ihre Erfahrungen beim Stecken der Zwiebeln und dem richtigen Umgang mit der Pflanze auszutauschen. Dann dauerte es nicht mehr lange, bis die Tulpenzwiebeln untereinander getauscht wurden. Erst der kommerzielle Handel mit Blumen führte dazu, dass sich auch um die Tulpenzwiebel ein reger Handel entwickelte.

Gehandelt wurden die kostbaren Knollen vorerst nur im Sommer - also während der Pflanzzeit. Schon damals gab es dafür Spotmärkte, wie man sie mit dem heutigen Rohstoffhandel assoziiert. Weil die Nachfrage groß war, wurden Tulpenzwiebel bald das ganze Jahr über gehandelt. Damit wurden auch solche Knollen ge- und verkauft, die noch in der Erde steckten und erst nach ihrer Blüte ausgegraben werden konnten. Diese Terminkontrakte wurden notariell beglaubigt.

Weil aber niemand sagen konnte, ob die gehandelte Tulpenzwiebel im nächsten Jahr tatsächlich wieder blühen würde, entwickelte sich der Tulpenhandel zum Spekulationsgeschäft.

Dynamik durch Spekulanten

Der blühende Handel gewann 1634 an Dynamik, als Spekulanten den Markt betraten. Sie kauften die Blumen nämlich nicht mehr in der Hoffnung, dass diese später schön erblühen sondern mit der Idee, sie bei gestiegenen Preisen mit Gewinn weiterzuverkaufen. Auch Optionsscheine auf Tulpenzwiebel wurden damals bereits in Umlauf gebracht. Für ihre Deals haben sich die Pflanzenhändler in Gasthäusern getroffen, sogar eigenen Auktionen wurden veranstaltet.

Wie enorm die Preise nach oben geschnalzt sind, zeigt die Tulpe "Semper Augustus", die 1637 als teuerste Tulpe der Welt gehandelt wurde. 1623 kostete eine Zwiebel dieser Sorte 1000 Gulden. Zehn Jahre später bereits 5500 und vor dem Zusammenbruch des Marktes 1637 wurden für drei Zwiebel 30.000 Gulden bezahlt. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Jahreseinkommen der Niederländer lag zu dieser Zeit bei rund 150 Gulden.

Als Stichtag für das Platzen der Tulpenblase gilt der 3. Februar 1637, als bei einer Versteigerung plötzlich keine der angebotenen Pflanzen mehr zu dem erwarteten Preis verkauft werden konnte. Der Grund: Kein Käufer wollte mehr in die Preisspirale einsteigen. Die Folge: Der gesamte Markt für Tulpen in den Niederlanden brach ein, die Preise sackten um bis zu 95 Prozent ab.

Danach folgte, was auch heute noch auf jede Krise folgt: Ein Krisentreffen, um die Frage der Folgen zu klären. Der Vorschlag, den Käufern das Recht zu geben, ihre Verträge zu canceln und als Ausgleich ein Bußgeld von zehn Prozent des Kaufpreises zu zahlen, wurde von den Händlern freilich nicht akzeptiert.

Daraufhin folgten viele Streitigkeiten, die vor Gericht ausgetragen wurden. Weil der Ansturm zu groß war, wurde etwa in Haarlem entschieden, dass Streitereien wegen Tulpenverkäufen nicht mehr vor Gericht ausgetragen werden dürfen. Die Händler mussten sich untereinander einigen, was ebenfalls zu Streitigkeiten führte. Eine Kommission entschied im Mai 1638 letztlich, dass die Verträge aufgelöst werden können, wenn die Käufer eine Strafe in der Höhe von 3,5 Prozent des vereinbarten Kaufpreises zahlten.

Das einzige, was die Tulpenkrise von anderen Krisen unterscheidet ist, dass der Handel mit Tulpen ein Phänomen der wohlhabenden Schicht war. Betroffen war also eine überschaubare Gruppe. Einen Durchschlag auf die Gesamtwirtschaft hat es nicht gegeben. Wohl aber eine Vertrauenskrise, weil viele Handelpartner plötzlich ausgefallen sind. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6./7.8.2011)