Das Panel zum Thema Copyright Assignment beim Desktop Summit in Berlin. Von links nach rechts: Karen Sandler, Mark Shuttleworth, Michael Meeks und Bradley Kuhn.

Foto: Andreas Proschofsky

Eine Veranstaltung wie der derzeit in Berlin abgehaltene Desktop Summit ist üblicherweise von technischen Fragen und der Zukunftsplanung in diesem Bereich dominiert. Dabei wird oftmals übersehen, dass es bei freier Software natürlich um mehr als "nur" Code geht, immerhin stehen hinter diesem Konzept auch grundlegende philosophische und somit inhärent auch politische Überlegungen. Eine gute Möglichkeit sich daran zu Erinnern bot das am Freitag Abend abgehaltene Panel zum Thema Copyright Assignment - einem gerade derzeit wieder äußerst kontrovers diskutierten Thema in der Community

Panel

Geleitet von GNOME-Foundation-Chefin Karen Sandler hatten sich Ubuntu-Gründer Mark Shuttleworth, LibreOffice-Entwickler Michael Meeks und Bradley Kuhn von der Free Software Foundation und der Software Freedom Conservancy zum öffentlichen Meinungsaustausch versammelt. Divergierende Meinungen waren also angesichts dessen, dass Ubuntu-Hersteller Canonical mit dem "Project Harmony" offen für die Rechteübertragung externer EntwicklerInnen an das eigene Unternehmen wirbt - und umgehend viel Kritik aus der Community bekommen hat - zu erwarten.

Proprietäre Hintergedanken

So eröffnete denn gleich Meeks den Reigen der Wortmeldungen mit einer eindrücklichen Warnung vor solchen Lösung: Als jemand der früher durchaus eine Pro-Position eingenommen habe, sei er aus eigenen Erfahrungen mittlerweile zum entschiedenen Gegner von Copyright Assignment geworden. Dieses werde typischerweise dafür genutzt, dass Firmen neben einer freien auch noch eine proprietäre Lizenz anbieten - und somit zu den einzigen werden, die mit dem gesamten Code Geld machen können. Da andere Unternehmen so ein Ungleichgewicht natürlich wenig berauschend finden, führe dies üblicherweise dazu, dass rund um solche Projekte nur eine einzige kommerzielle Firma aktiv ist, was der Weiterentwicklung schade. Nicht zuletzt zeige sich dies am eigenen Projekt: Die Beteiligung rund um LibreOffice / OpenOffice sei geradezu explodiert, nachdem man sich von Oracle und dessen Zwang zur Rechteübergabe getrennt habe.

Blickwinkel

Der eigens für das Panel angereiste Shuttleworth betont statt dessen einen ganz anderen Blickpunkt: Es gehe darum aus erfolgreichen Projekten und deren Modellen für das eigene Ökosystem zu lernen. Er wünsche sich hunderte von Startups im Open-Source-Umfeld, und hierfür sei Copyright-Assignment ein nützliches Tool, da es einen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Dies würden auch diverse erfolgreiche Projekte wie Qt, MySQL oder auch Mozilla zeigen. Fundamental gegen die Rechteübertragung zu sein, sei insofern äußerst kurzsichtig, auf diese Weise würde man nur Firmen davon jagen, anstatt ihnen das Öffnen ihres Codes schmackhaft zu machen.

Nutzungsprobleme

Gleich zu Beginn der eigenen Wortmeldung legte Bradley Kuhn fest, dass er hier eine zur offiziellen Position der FSF etwas divergierende Meinung habe. Dieser trete offensiv für Copyright-Assignment ein - allerdings an unabhängige Organisationen und nicht an einzelne Firmen - er hingegen finde, es gebe sowohl gute Argument für als auch gegen ein solche Lösung. Das reale Problem sieht er aber darin, wie Firmen Copyright-Assignment nutzen. Wenn er beispielsweise die Frage aufwirft, ob diese bereit wären ein Versprechen abzugeben, den Code auf Dauer frei zu halten (immerhin erlaubt der vollständige Rechtebesitz den beliebigen Wechsel der Lizenz, Anm.) würden diese immer ganz rasch das Thema wechseln.

Monopol-Vorwurf

Zu einem kleinen Schlagabtausch führe die Bemerkung Meeks, dass solche Lösungen ein "Monopol" rund um den betreffenden Code zur Folge hätten, verwehrt sich Shuttleworth doch gegen diese Darstellung. Allerdings musste der Canonical-Finanzier auf Nachfrage eingestehen, dass es tatsächlich keine Beispiele für Projekte gebe, die mit Copyright-Assignment mehr als ein großes beitragendes Unternehmen haben. Das Wort "Monopol" sei aber trotzdem nicht richtig, immerhin könnten ja andere Firmen den Code trotzdem verwenden und weiterverbreiten, so lange er unter einer freien Lizenz erhältlich ist.

Patente

Meeks verwies in Folge noch auf ein weiteres grundlegendes Problemfeld, jenes der Patentrechte: Würden die Beitragenden mit einem Copyright-Assignment doch eben diese an ein Unternehmen abtreten - ohne irgendwelche Sicherheiten für die gesamte Software in dieser Hinsicht zurückzubekommen.

"Dead Developers"

Moderatorin Karen Sandler - die zuvor selbst für das Software Freedom Law Center tätig war - warf an dieser Stelle den von Verfechtern des Copyright-Assignments immer wieder vorgebrachten Fall des "Dead Developers" ein. Sollte ein Entwickler versterben, würden seine ErbInnen auch die Recht an dem Code übernehmen - und dies seien oft Leute, die von freien Lizenzen keine Ahnung haben. Will ein Projekt nun aus durchwegs noblen Gründen eine Lizenzänderung durchführen, könne dies eine ernsthafte Hürde darstellen, brauche man doch für so einen Schritt die Zustimmung aller, die substantielle Teile zum Code beigetragen haben - oder eben deren ErbInnen.

Vergleiche

Doch auch wenn Meeks durchaus zupflichtet, dass dies ein reales Problem sein kann, für ihn ist die wesentlich größere Gefahr ganz woanders zu suchen: Nämlich bei "toten Unternehmen". Dem pflichtet Kuhn bei und verweist auf aktuelle Beispiele wie Oracle / Sun oder Nokia / Qt, die der Open-Source-Community massiven Schaden zugefügt hätten. Und für die Rechtefrage nach dem Ableben verweist er auf ein altbewährtes Rezept: Ein Testament. Er habe diese jedenfalls selbst so geregelt. Shuttleworth stimmt den aufgeworfenen Kritikpunkten zwar durchaus in Teilen zu, gibt aber auch seiner Einschätzung Ausdruck, dass der Verkauf von Code an unerfreulich vorgehende Unternehmen noch immer besser sei, als er sterbe ganz.

Großzügigkeit

Zum Abschluss beklagt Shuttleworth noch einmal, dass es eine gewisse Angst in der freien Softwarewelt vor Wettbewerbsvorteilen gebe, die hinderlich für die Weiterentwicklung des gesamten Ökosystems seien. Und fügt den Appell an, einen neuen Begriff als positiv in die Diskussion einzuführen: Jenen der "Großzügigkeit", unabhängige EntwicklerInnen sollen ihre Motivation also nicht zuletzt daraus ziehen, dass sie etwas hergeben. Ob er damit Erfolg haben wird, muss sich wohl erst zeigen, auf der Konferenz führte dies jedenfalls eher zu zahlreichen zynischen Bemerkungen über Canonical als zur freudigen Aufnahme dieses Konzepts. (Andreas Proschofsky aus Berlin, derStandard.at, 07.08.11)