Europa kennt das Spiel jetzt schon; hat es in den vergangenen Monaten oft erlebt. Die hoch verschuldeten Länder Portugal, Italien, Irland und Griechenland stellen ihre Sparpläne und Reformvorhaben vor und wollen damit die internationalen Finanzmärkte beruhigen. Und dann kommt es: das Urteil der Ratingagenturen. Eine Herabstufung. Das bedeutet höhere Refinanzierungskosten für die ohnehin schon gebeutelten Länder. Die Krise wird damit verschärft.

Das trifft jetzt auch die weltgrößte Volkswirtschaft. Die USA haben ihre Top-Bonität, das Triple-A-Rating, verloren. Wenige Tage nach dem zähen Ringen um das Anheben der Schuldenobergrenze und die Einigung auf ein Sparpaket hat die US-Ratingagentur Standard & Poor's mit dem Entzug der Bestnote ihr Urteil gefällt. Der langfristige Ausblick wurde zudem auf "negativ" gestellt. Das bedeutet, dass weitere Herabstufungen folgen können.

Das sitzt. Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist das eine Absage an politische Schauspiele, wie sie rund um das Anheben der US-Schuldengrenze gezeigt wurden. Zum anderen wird der erzielte Kompromiss als zu gering eingestuft. Zudem hat auch die Ratingagentur Moody's bereits angekündigt, ihre Bewertung zu überdenken. Es scheint wohl nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis auch sie am Triple-A schraubt.

Für die Märkte kann dieser Schritt nicht aus heiterem Himmel kommen. Dass die gefürchteten Ratingagenturen den erzielten US-Schuldenkompromiss kritisch beäugen werden, haben sie angekündigt. Damit werden jetzt wohl auch Kritiker beruhigt, die sich bisher daran gestoßen haben, dass die drei großen Ratingagenturen dieser Welt (Standard & Poor's, Fitch und Moody's - sie stehen allesamt im US-Eigentum bzw. Mehrheitseigentum) Europa kritisch unter die Lupe nehmen, die USA aber mit Samthandschuhen anfassen.

Spannend wird nun, wie sich die Welt gegenüber den geschwächten USA positioniert und auf die erhöhten Refinanzierungskosten reagiert. Dabei spielt China - als größter ausländischer Gläubiger der USA - die Hauptrolle. Laut US-Finanzministerium hält China über seine Zentralbank und Staatsfonds 1159 Milliarden Dollar an US-Staatspapieren. Inklusive Gelder aus Hongkong und Großbritannien, die China zugerechnet werden, hält das Reich der Mitte mehr als 1500 Milliarden Dollar an amerikanischen Staatspapieren. Das sind mehr als zehn Prozent der US-Staatsschuld.

Der erste Kommentar aus China kam daher mit aller Härte "Amerika muss für seine Schuldensucht und das kurzsichtige politische Gezerre bezahlen", ließ Peking ausrichten. Auch das sitzt. China hat Amerika in den vergangenen Jahren mit dem Kauf von Staatsanleihen massiv unter die Arme gegriffen, als die USA ihre Banken retten mussten. Jetzt will Peking nicht um sein Geld umfallen. Das ist verständlich.

Damit werden jetzt auch die USA ihre Lektion lernen müssen: Das Anheben der Schuldengrenze ist zu wenig. Dieses Spiel ist ausgereizt. Jetzt muss die Politik beweisen, dass sie die Probleme in den Griff bekommt. Der Arbeitsmarkt braucht Impulse, der Immobilienmarkt eine Wiederauferstehung, die Finanzwelt klare Regeln. Ein politisches Schauspiel, wie es zuletzt beim Schuldenstreit gezeigt wurde, ist zu wenig. Märkte und Investoren wollen Taten sehen - und zwar wirkungsvolle und nachhaltige. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, Printausgabe, 8.8.2011)