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Wien - Der ORF-Redakteursrat hat sich einen Tag vor der Wahl des ORF-Generaldirektors mit Kritik am obersten ORF-Gremium, dem ORF-Stiftungsrat, zu Wort gemeldet. Dass mit Amtsinhaber Alexander Wrabetz "erstmals in der ORF-Geschichte" nur ein ernsthafter Kandidat zur Wahl stehe, sei "zwangsläufig bedenklich", so die Redakteursvertreter am Montag. Harte Worte finden die Redakteure für SPÖ-"Freundeskreis"-Leiter Niko Pelinka, der mit seinen Aussagen zu Absprachen rund um die Einladungspolitik von "Im Zentrum" und häufigen Telefonaten mit ORF-General Wrabetz "ein überdeutliches Zeichen völliger Uneignung" abgelegt habe.

Die journalistische Unabhängigkeit der ORF-Redakteure gelte "allgemein auch als größtes Plus der zu Ende gehenden Geschäftsführungsperiode", so die Redakteursräte. Entsprechend wenig Gewicht messen sie den Zitaten Pelinkas bei, wonach dieser mit Wrabetz über die Gästeliste von "Im Zentrum" spreche. Für die Redakteursvertreter kein ernstzunehmendes Szenario, sollten die Aussagen aber stimmen, "wär's ein Skandal und eine grobe Verletzung des ORF-Gesetzes. Es ist aber natürlich nicht so, denn ORF-Journalisten lassen sich selbstverständlich keine Eingriffe in ihre Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit gefallen." Die
Aussagen Pelinkas seien "nicht nur realitätsferne Wichtigtuerei, das ist auch unternehmensschädigend". Sowohl Wrabetz als auch Pelinka hatten eine Absprache und unzulässige Einflussnahme im Hinblick auf "Im Zentrum" in Abrede gestellt.

Bedenklich sei es aus Sicht des ORF-Redakteursrates auch, dass einzelne Stiftungsräte in ihren Hauptberufen Tätigkeiten ausüben, die im Zusammenhang mit dem ORF stehen, "und dass Mitglieder des ORF-Aufsichtsgremiums offenbar nach wie vor nichts dabei finden, an einer Generaldirektorswahl teilzunehmen, um danach von dem von ihnen Gewählten in eine ORF-Führungsposition befördert zu werden".

Die ORF-Journalisten fordern seit Jahren eine grundsätzliche Neugestaltung des obersten ORF-Gremiums. Dieses müsse analog zu Aufsichtsräten anderer Großunternehmen zusammengesetzt werden und maximal zwölf bis 15 Mitglieder umfassen. (APA)

>>> Weiter zur Aussendung des Redakteursrats im Wortlaut: "Wer den Generaldirektor bestellt"

Die Aussendung des ORF-Redakteursrats, Fritz Wendl, Eva Ziegler und Dieter Bornemann, getitelt mit "Wer den Generaldirektor bestellt" zum "Zustand des Stiftungsrates" und der Medienpolitik.

"Erstmals in der ORF-Geschichte gibt es morgen bei der Wahl eines ORF-Alleingeschäftsführers nur einen einzigen ernsthaften Kandidaten. Das ist zwangsläufig bedenklich. Ebenso bedenklich ist, wer die Wählenden sind. Das ist u. a. ein junger Mann namens Niko Pelinka, der laut unerforschlichem SPÖ-Ratschluss seit
fünfzehneinhalb Monaten versuchen darf das Stiftungsratshandwerk - und das gleich als Sprecher des größten 'Freundeskreises' - zu lernen. Ein gescheiterter Versuch. Denn nicht nur, dass in seinen eineinviertel Amtsjahren verborgen blieb, worin seine Qualifikation für die Tätigkeit im Aufsichtsgremium eines Milliardenunternehmens bestünde, hat Niko Pelinka nun auch noch ein überdeutliches Zeichen völliger Uneignung abgelegt indem er - offenbar allen Ernstes - den
Eindruck zu erwecken versuchte, er bestimme ORF-Informationsprogramminhalte. Wärs so, wärs ein Skandal und eine grobe Verletzung des ORF-Gesetzes. Es ist aber natürlich nicht so, denn ORF-JournalistInnen lassen sich selbstverständlich keine Eingriffe in ihre Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit gefallen. Für die Zusammenstellung einer Diskussions-Runde brauchen ORF-JournalistInnen zweifellos keine Tipps von außen. Etwaige Zurufe werden von der Redaktion ignoriert. Mit wem der Generaldirektor Gespräche führt, ist seine Sache. Die Entscheidungen, was gesendet wird, wird aber ausschließlich in den Redaktionen getroffen. Gegen "Wünsche" - von wem auch immer - schützt das ORF-Redakteursstatut.

So wird auch in einer OGM-Umfrage, die der 'Kurier' heute veröffentlicht, die Unabhängigkeit der ORF-Information ausgezeichnet bewertet. Und auch die Zitate, die im jüngsten 'profil' Laura Rudas zugeschrieben werden, sind ein Beweis, dass die ORF-Information nicht tut, was die Politik wünscht. (Rudas laut 'profil': 'Alex, damit sind wir nicht zufrieden... so haben wir das nicht ausgemacht... das hätten wir uns anders erwartet... '). Die journalistische Unabhängigkeit gilt so allgemein auch als größtes Plus der zu Ende gehenden Geschäftsführungsperiode.

Dass Stiftungsrats-'Freundeskreis'-Sprecher Niko Pelinka aber trotzdem versucht, so zu tun, als hätte er Einfluss auf Entscheidungen von ORF-Redaktionen, ist nicht nur realitätsferne Wichtigtuerei, das ist auch unternehmensschädigend. Bleibt die Frage, wie lange sich das jene Mitglieder seines 'Freundeskreises', die
durchaus Qualifikationen für ihre Stiftungsratstätigkeit mitbringen, noch gefallen lassen?

Nicht weniger bedenklich als das Agieren Niko Pelinkas ist auch, dass es weiterhin Stiftungsräte gibt, die in ihren Hauptberufen Tätigkeiten ausüben, die im Zusammenhang mit dem ORF stehen und dass Mitglieder des ORF-Aufsichtsgremiums offenbar nach wie vor nichts dabei finden, an einer Generaldirektorswahl teilzunehmen um danach von dem von ihnen Gewähltem in eine ORF-Führungsposition befördert zu werden.

Der Stiftungsrat werkelt wohl nicht zufällig seit Jahren vergeblich an Unvereinbarkeitsbestimmungen und es verwundert auch kaum, dass auch von der jüngsten, seit einigen Wochen agierenden Corporate Governance Kodex-Arbeitsgruppe, bis jetzt keinerlei wirklich taugliche Vorschläge zu hören gewesen sind...

Aber der ORF-Stiftungsrat - dessen derzeitige Konstruktion Ergebnis eines schwarz-blauen Gesetzes ist - ist ohnedies auch durch Unvereinbarkeitsbestimmungen nicht zu einem brauchbaren Organ zu machen. Da hilft nur, wie die ORF-JournalistInnen seit Jahren immer wieder betonen, nur eine grundsätzliche Neugestaltung. Das ORF-Aufsichtsgremium muss endlich analog zu Aufsichtsräten anderer Großunternehmen zusammengesetzt werden. Also maximal 12 bis 15 Mitglieder, ein Drittel davon (nach Aktiengesetzbeispiel) Belegschaftsvertreter, die nicht nur durch den Zentralbetriebsrat, sondern auch durch die Konzernvertretung (also auch durch die BelegschaftsvertreterInnen der ORF-Töchter) und durch die Redakteursvertretung entsandt werden. Wer warum als 'Eigentümervertreter' ins  Aufsichtsgremium entsandt wird, muss öffentlich kontrollierbar und nachvollziehbar gemacht werden. Für jede/n KandidatIn ist ein Qualifikationsnachweis zu veröffentlichen. Jedenfalls müssen beim Auswahlmodus Voraussetzungen geschaffen werden, dass dem ORF-Aufsichtsgremium nur Mitglieder angehören, die
persönliche Reputation zu verlieren haben und nicht Fraktionsvorgaben erfüllen. Auch dürfen sie nicht in Geschäftsbeziehungen zum ORF stehen, was im Gesetz zu definieren ist. Erstmalige Bestellung durch den Hauptausschuss des Nationalrats mit mindestens 2/3-Mehrheit, danach beschließen die  Aufsichtsgremiumsmitglieder Nachrückungen/Ersatz Ausgeschiedener selbst, womit die derzeit üblichen, peinlichen parteipolitischen Besetzungsvorgänge ein Ende
hätten.

Alle, denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk, dessen demokratiepolitische Funktion, dessen Glaubwürdigkeit ein Anliegen ist, müssen dafür sorgen, dass die morgige GD-Wahl die letzte ist, die von einem Stiftungsrat durchgeführt wird, dessen überwältigende Mehrheit nur nach parteipolitischen Vorgaben agiert."