Ein kleiner, aus 20 Fragmenten bestehender Teil des eisenzeitlichen "Puzzles", das insgesamt rund 1.500 Teile umfasst.

Foto: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták

Halle - Dass vergangene Epochen - soweit es eben der Stand der Technik und des Handels mit erforderlichen Rohmaterialien zuließen - kaum weniger bunt waren als unsere Gegenwart, ist erst in den letzten Jahrzehnten ins öffentliche Bewusstsein vorgedrungen. Die Statuen der griechisch-römischen Antike leuchteten nicht in hehrem Weiß, sondern waren schreiend bunt bemalt. Und erst vor kurzem zeigte eine skandinavische Studie auf, wie farbenfroh die vermeintlich schlichte Kleidung der Wikingerinnen aussah.

Geht man noch weiter in der Vergangenheit zurück, zeigt sich offenbar ein ähnliches Bild: Das demonstriert eine eisenzeitliche Wand, deren Bruchstücke vor zwei Jahren bei Grabungen an der ICE-Neubaustrecke Erfurt-Leipzig/Halle in einer prähistorischen Siedlung in Sachsen-Anhalt entdeckt worden waren. Es handelt sich um eine rund 2.600 Jahre alte Wand aus Flechtwerk, die mit Lehm verputzt und bunt bemalt war.

Von der Rekonstruktion ...

Experten hatten die rund 1.500 Einzelteile mit einem Gesamtgewicht von rund 200 Kilogramm in mühsamer Kleinarbeit wie bei einem großen Puzzle zusammengesetzt. Nach Angaben des Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt, Harald Meller, ist dies der bisher größte Fund von Wandmalerei der Eisenzeit nördlich der Alpen. "Wir wissen jetzt, dass die Vorzeit nicht grau war, sondern prähistorische Häuser farbenfroh bemalt wurden", sagte Meller. Insgesamt ließ sich aus den zusammengesetzten Teilen ein Wandstück von rund zwei Meter Länge und 1,5 Meter Höhe rekonstruieren. 

"Möglicherweise zierte die bemalte Wand die Front eines bedeutsamen Hauses", sagte Meller. Dominierende Farben der Malerei sind Rot, Beige und Weiß. Der Farbstoff sei das Eisenoxidmineral Hämatit, auch als Rötel bekannt. Neben typischen Ornamenten der Eisenzeit wie Dreiecken und sogenannten S-Haken sind nach Angaben der Experten auf den Teilen der Wand auch Ornamente von symbolhaftem Charakter zu erkennen.

Die prähistorische Anlage nahe der heutigen Ortschaft Wennungen hatte den Angaben zufolge einst die Größe von mehr als 200 Fußballfeldern. Die bemalten Lehmputzteile lagen in einer der rund 3.000 Siedlungsgruben. Funde zeigen, dass das Gelände bereits seit der Jungsteinzeit besiedelt war. Die meisten Artefakte stammen jedoch vom Übergang der Bronze- zur Eisenzeit. Neben Keramik und Textilien wurden hier auch Salz und Metalle verarbeitet - was gleichzeitig auf ein reges Handelsnetz schließen lässt.

... zur Präsentation

Ein Stück der rekonstruierten Wand soll 2012 in einem neuen Teil der Dauerausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle präsentiert werden, wo auch die berühmte Himmelsscheibe von Nebra zu sehen ist. (red/APA)