Wien - Der börsenotierte steirische Anlagebauer Andritz baut nach einem starken zweiten Quartal im ersten Halbjahr 2011 neue Rekordmarken auf: Der Umsatz stieg per Ende Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 28,7 Prozent auf 2,011 Mrd. Euro, das operative Ergebnis (EBIT) kletterte um 32,7 Prozent auf 123,1 Mio. Euro, und das Konzernergebnis wuchs um 33,3 Prozent auf 89,7 Mio. Euro. Mit einem Rekord-Auftragsstand von 7,249 Mrd. Euro sei die Gruppe in einer "komfortablen Situation", sagte Vorstandschef Wolfgang Leitner heute Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien.
Mit den nun vorgelegten Halbjahreszahlen wurden die Prognosen der Analysten für den weltweit tätigen Technologiekonzern noch übertroffen. Die von der APA befragten Analysten heimischer Banken (UniCredit, RCB und Erste) hatten im Vorfeld im Schnitt nur mit einer Steigerung um 24,5 Prozent beim Umsatz und um 24,3 Prozent beim EBIT gerechnet. Für das Gesamtjahr 2011 erwartet der Andritz-Vorstandschef "unverändert" deutliche Zuwächse bei Umsatz und Ertrag, beides solle "zweistellig" wachsen.
Der Konzern sei mit einer Brutto-Liquidität von 1,7 Mrd. Euro und einer Netto-Liquidität von 1,3 Mrd. Euro sehr gut mit Kapital ausgestattet, betonte Leitner. Die Bilanzsumme stieg von 4,0 Mrd. Euro per Ende Dezember 2010 auf 4,3 Mrd. Euro, die Eigenkapitalquote sank leicht von 19,7 auf 18,6 Prozent. Die Zahl der Mitarbeiter stieg um 19,8 Prozent auf 16.119 Beschäftigte.
Entwicklung an den Börsen
Die Entwicklungen der vergangenen Woche, in der die Börsen weltweit eingebrochen sind, setzen allerdings ein Fragezeichen auch über die Zukunft des Anlagenbauers. "Alles hängt grundsätzlich von der allgemeinen Konjunkturentwicklung ab", gibt Leitner zu bedenken. In den Branchen, wo Andritz tätig ist, sehe man aber "keine Abschwächung". Den hohen Auftragsbestand sieht der Konzernchef auch in schwierigen Zeiten gut abgesichert. Auch in der Finanzkrise 2007/08 habe es beim Auftragsbestand nur "minimale Stornos" gegeben.
Ganz klar sieht Leitner die aktuellen Einbrüche an den Börsen aber unter dem Gesichtspunkt der Psychologie: "Wenn alle glauben, dass alle glauben, dass es schlechter wird, dann wird es schlechter." Selber habe er aber keine Meinung zum Thema, ob eine "Double Dip"-, "W"- oder "L"-Rezession drohe oder nicht, hielt sich der Industriekapitän aus der aktuellen Krisen-Diskussion heraus.
Boomendes Südamerika beschert Andritz Rekorde
Der Konzern verbuchte einen Rekordauftragseingang im zweiten Quartal 2011 mit über 3,6 Mrd. Euro. Insbesondere der Bereich "Pulp & Paper" (Zellstoffanlagen) verzeichnete einen Auftragsboom: Im ersten Halbjahr stieg in der Division der Auftragseingang um 172 Prozent auf 2,038 Mrd. Euro und überholte damit den Bereich Hydro (Wasserkraftanlagen), der mit 1,097 Mrd. Euro ein leichtes Minus von 5 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2010 verbuchte. Die Division Metals verzeichnete bei den Aufträgen ein Plus von 29 Prozent auf 183 Mio. Euro.
Südamerika wird für Andritz immer wichtiger: Beim Auftragseingang ist die Region mit einem Anteil von 36 Prozent im ersten Halbjahr bereits führend und liegt vor Europa (32 Prozent), Nordamerika (12 Prozent), China (9 Prozent) und dem restlichen Asien (9 Prozent). Beim Umsatz dominiert noch Europa, wo der Anlagebauer in den ersten sechs Monaten 41 Prozent seines Umsatzes erzielte, gefolgt von Südamerika (19 Prozent) und Nordamerika sowie China (jeweils 13 Prozent).
Bei Großprojekten im Plan
Der Anlagenbauer hat heute die von Medien berichteten Gespräche über einen Zukauf in Frankreich bestätigt. Der Konzern führe "exklusive Gespräche" mit dem Maschinenbauer NSC und erwarte einen Abschluss "innerhalb der nächsten drei Monate, gerechnet ab heute", so Leitner.
Auch bei den teils umstrittenen Großprojekten liege man "im Plan", versichert der Vorstandschef. Sowohl beim geplanten Großkraftwerk Belo Monte im Amazonas-Gebiet in Brasilien als auch beim geplanten Ilisu-Damm in der Türkei gehe es voran. Dabei vertraue der Konzern auf das Rechtssystem der beiden Länder, um einen "Interessensausgleich" im Konflikt schaffen zu können. Im Amazonas-Gebiet soll am Xingu-Fluss im Bundesstaat Pará das drittgrößte Kraftwerk der Welt entstehen, Umweltschützer und Menschenrechtsvertreter fürchten die Zerstörung der Biosphäre und sehen durch Massenabsiedlungen die Rechte indigener Ureinwohner verletzt. Andritz, Alstom und Voith wollen Turbinen, Generatoren und andere technische Ausstattung an das brasilianische Konsortium "Norte Energia" liefern, das Belo Monte realisieren soll. (APA)