Der Kanzler und die zuständige (Finanz-)Ministerin äußern sich auch nicht zu weltweitem Börsencrash, Staatsschuldenkrise und drohender Doppelrezession in den USA und Europa, also besteht kein Anlass darüber zu debattieren, ob Österreich in Gefahr ist und was man gegebenenfalls dagegen tun könnte.

Oder doch? Selbst wenn man nicht der Ansicht ist, dass das ganze Wirtschaftssystem an der Kippe steht oder die "Welt bankrottgeht", wie der Spiegel (wenn auch in Frageform) meint - schlimm genug ist es ja. Die Staaten haben einen Riesenberg von Schulden angehäuft, der kontrolliert abgebaut werden müsste, ohne die Wirtschaft abzuwürgen. Sowohl in den USA, wo sich Präsident Obama immer deutlicher als fatal führungsschwach entpuppt, als auch in Europa machen die Politiker nicht den Eindruck, als hätten sie einen Plan und den entsprechenden Willen.

Österreich gehöre zu den Ländern "ohne große Schulden", sagte der Ökonom Daniel Gros vom unabhängigen Center for European Policy Studies im ORF, und werde in den nächsten zehn Jahren, die ein uneinheitliches, jedenfalls aber niedrigeres Wachstum bringen würden, besser dastehen.

Dazu gibt es allerdings Berechnungen, die uns in eine nicht ganz so tolle Liga einordnen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat in einer Studie vor etwa einem halben Jahr festgehalten, dass durch die mit dem letzten Budget beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen die Schuldenquote Österreichs bis 2014 bei 72 Prozent des Bruttoinlandprodukts liegen wird. Verglichen mit Italien (120 Prozent) und Griechenland (mindestens 150 Prozent) ein akzeptabler Wert.

Das Wifo wies jedoch darauf hin, dass man da noch die versteckten Schulden dazurechnen müsse, die aus dem Budget "ausgelagert" wurden, also ÖBB, Asfinag und dergleichen, auch diverse große Gemeindebetriebe. Insgesamt fast 50 Milliarden Euro oder 17 Prozent des BIPs im Jahr 2011.

Da kommen aber fast 90 Prozent des BIPs zusammen, und das ist nach Meinung des US-Ökonomen Kenneth Rogoff die Marke, an der die Schuldenwirtschaft kontraproduktiv wird, weil die Zinslast die Mittel für Investitionen auffrisst und somit das Wachstum abwürgt. Zu hohe Schulden wirken lähmend auf das Wirtschaftswachstum.

Österreich kratzt also an der Marke, bei der es laut einem führenden Wissenschafter (und der empirischen Erfahrung) brenzlig wird. Thema der öffentlichen Debatte ist das aber nicht. Es würde nämlich bedeuten, sich einmal ernsthaft damit auseinanderzusetzen, was die großen Komponenten dieser "Schulden-Kultur" eigentlich sind, und da käme man auf die Pensionen, das Gesundheitswesen und abertausende Förderungen, die schon längst zu einem Großteil nur noch auf Schulden finanziert werden. "Die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg", (EZB-Chef Jean-Claude Trichet) - was geht uns die eigentlich an? (DER STANDARD; Printausgabe, 10.8.2011)