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Kanzler Werner Faymann, hier bei einer sommerlichen Wanderung im Dachsteinmassiv, ist trotz Urlaubs formal im Dienst. Die Amtsgeschäfte ruhen nie.

Foto: APA/Schlager

Wien - Das Parlament ist akut „einsturzgefährdet" - und was macht Nationalratspräsident Barbara Prammer? Urlaub. Die Sanierungsarbeiten schreiten aber zügig voran, beruhigt man sofort in Prammers Büro. Und: „Sie könnte jetzt ohnehin nur den Arbeitern zusehen."
Was im Fall der Parlamentspräsidentin sehr offenherzig formuliert wird (siehe unten), gilt sonst eher als Ausrede in den Politikerbüros: Wenn da etwa Regierungsmitglieder zu anstehenden Problemen befragt werden, verkünden ihre Pressestäbe mitunter allzu gern, der Minister oder der Staatssekretär sei gerade auf Urlaub. Beliebter Zusatz: Und zwar beim Besteigen eines Berges oder beim Abhängen auf einer Alm - und da gebe es „leider überhaupt keinen Empfang".

Auf wie viele Urlaubstage haben die Volksvertreter überhaupt Anspruch? Und sind sie, wie es scheint, zurzeit tatsächlich alle abgetaucht?
Vizekanzler, Außenminister und ÖVP-Obmann Michael Spindelegger lässt mit seiner Familie am Mondsee die Seele baumeln. Sofern er nicht doch seine Amtsgeschäfte wahrnimmt. Denn: Spindelegger telefoniert täglich mit seinem Büro in Wien, heißt es, aktuelle Dossiers, etwa über die Entwicklung der Börsen, lässt er sich sowieso auf sein iPad schicken. Selbstverständlich, so erklärt sein Sprecher, konferiere er auch regelmäßig mit Finanzministerin Maria Fekter (ebenfalls ÖVP). Die Entwicklung auf den Märkten war auch schon Anlass für ein Telefonat mit Kanzler Werner Faymann. Und sollte es notwendig sein: In zwei Stunden könnte der Vizekanzler in Wien sein und jede Sitzung wahrnehmen.

Der Kanzler selbst weilt derzeit in Italien - wo genau, bleibt unter Verschluss. Damit gilt seltsamerweise: Der Kanzler ist im Dienst. Die Vertretungsregelung der Regierungsmitglieder sieht nämlich vor, dass der Kanzler und seine Minister im Dienst sind, wenn sie sich in Österreich oder im EU-Ausland befinden - und zwar egal, ob sie eine Dienstreise oder Urlaub machen. Eine Vertretung wird erst dann zur Pflicht, wenn ein Regierungsmitglied EU-Gebiet verlässt, also auf den Seychellen oder in Kroatien blaumacht.

In solchen Fällen müssen die Regierungsmitglieder ihren Auslandsaufenthalt beim Ministerratsdienst im Kanzleramt und beim Bundespräsidenten melden. Einen dienstrechtlichen Anspruch auf eine bestimmte Anzahl an Urlaubstagen gibt es nicht. Wer auf Urlaub ist, ist auf Urlaub, punktum. Und: Für den Kanzler ist nicht einmal die Urlaubsanmeldung zwingend vorgeschrieben, es ist aber Usance, dass Faymann seine Urlaube bekanntgibt.

Urlaubsusancen

Die Vertretungsregelung sieht außerdem vor, dass der Kanzler in seiner Abwesenheit vom Vizekanzler vertreten wird. Ist auch der nicht verfügbar, kommt das dienstälteste Regierungsmitglied zum Zug, das wäre in diesem Fall Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) - derzeit übrigens gerade selbst auf Urlaub, und zwar wie jedes Jahr am Semmering und auf der Rax.
Im Kanzleramt legt man zudem Wert auf die Feststellung, dass Faymann auch in Italien jederzeit erreichbar sei und sofort nach Hause kommen würde, sollte das angebracht sein.

Zwei der drei Oppositionschefs, Grünen-Chefin Eva Glawischnig und Josef Bucher (BZÖ), verbringen den Großteil ihrer freien Zeit ohnehin in Kärnten - und wären somit, in dringenden Fällen - erraten! - schnell erreichbar. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist schon zurück aus Ibiza. Manchen ist er gar nicht abgegangen. (Michael Völker, Nina Weißensteiner, DER STANDARD; Printausgabe, 10.8.2011)