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Nach einem Nato-Angriff auf den Ort Bir al-Ghanam. Fotos aus dem Besitz von Regimesoldaten.

Foto: REUTERS/Bob Strong

Tripolis/Bengasi/Kairo - Das Regime in Tripolis hat am Dienstag die Nato beschuldigt, bei ihren Luftangriffen 85 Zivilisten im Dorf Majar südlich von Zliten getötet zu haben. Das staatliche Fernsehen zeigte verkohlte Kinderleichen und Bilder von verletzten Frauen und Kindern. Die Regierung von Machthaber Muammar al-Gaddafi ordnete eine dreitägige Trauerzeit für die Opfer an.

Die Stadt Zliten, 150 Kilometer westliche von Tripolis, ist derzeit heftig umkämpft. Ein Sprecher der Militärbündnisses erklärte in Brüssel, die Nato sei nur in Zliten selbst aktiv gewesen und hätte ausschließlich militärische Ziele beschossen; dabei sei es wahrscheinlich, dass militärisches Personal inklusive Söldner getroffen worden seien.

In Bengasi versucht der Nationale Übergangsrat indes seine Probleme zu lösen. Nach dem mysteriösen Anschlag auf Armeechef Abdel Fatah Yunis haben Basisgruppen der "Revolution des 17. Februar" sowie Yunis' Familie und Würdenträger seines mächtigen Stammes Druck gemacht. Sie verlangten nicht nur Aufklärung, sondern auch den Rücktritt einzelner Mitglieder des Exekutivkomitees, das heißt, der Regierung, wegen ihrer undurchsichtigen Rolle im Zusammenhang mit einem Haftbefehl gegen Yunis, der Anlass für einen Racheakt gewesen sein könnte.

Mit der Entlassung sämtlicher Minister will der Übergangsrat unter Mustafa Abdul Jalil neuen Handlungsspielraum gewinnen. Ein Sprecher des Rates begründete den Schritt mit Fehlern, die einzelne Mitglieder bei der Bewältigung dieser Krise gemacht hätten. Jalil hat versprochen, der Rat werde nicht zögern, die Schuldigen am Yunis-Mord beim Namen nennen. Niemand stehe über dem Gesetz, auch die Mitglieder des Übergangsrates nicht.

Mahmud Jibril, der auch bisher die Regierung geführt hat, soll ein neues Team zusammenstellen. Mindestens die Hälfte der 15 "Minister" dürfte ausgewechselt werden. Der Rat muss vor allem dafür sorgen, dass die militärische Führung, das heißt der neue Verteidigungsminister und der noch zu bestimmende Yunis-Nachfolger als Truppenchef an einem Strang ziehen. Je mehr sich der Krieg gegen die Gaddafi-Truppen in die Länge zieht, je lauter kommen Fragen nach der richtigen Taktik auf. Immerhin zeigen die Vorstöße der Rebellen aus vier Richtungen gegen Tripolis nun Wirkung, wenn auch langsamer als erwartet. (Astrid Frefel, DER STANDARD, Printausgabe, 10.8.2011)