Alle sind zufrieden: Die SPÖ hat ihren Kandidaten Alexander Wrabetz als ORF-General wieder installiert, die ÖVP hat mehr Macht für den bisherigen Finanzdirektor Richard Grasl und einige Führungspositionen in Wien und den Landesstudios herausgeschlagen. FPÖ und Grüne haben auch ihre Personalwünsche untergebracht. Und der Strippenzieher für Wrabetz' Wiederwahl, der rote Stiftungsrat Niko Pelinka, soll neuer Pressesprecher werden. Das ist praktisch, damit spart der ORF
Telefonkosten. Wrabetz und Pelinka brauchen dann nicht mehr die Gäste für ORF-Sendungen telefonisch abstimmen, sondern die SPÖ-Nachwuchshoffnung kann sie gleich direkt deponieren. Auf der Strecke bleiben der ORF, die Zuseher und jene Mitarbeiter, die die Erwartungshaltung nicht aufgegeben haben, dass der ORF eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit entsprechendem Programmauftrag ist und von der Politik unabhängiges Arbeiten möglich sein muss.
Um die Frage, wer den ORF am besten führen kann, ist es ohnehin nicht gegangen. Er habe schon nach wenigen Gesprächen erkannt, dass es wesentlichen Teilen der Politik darum gehe, "wer willfährig parteipolitische Personalwünsche umsetzt", gab RTL-Group-Chef Gerhard Zeiler als Grund an, warum er doch nicht für die ORF-Führung kandidiert hat.
Folgerichtig wurde weder über Wrabetz' Bilanz noch über sein Zukunftskonzept ausgiebig diskutiert. Der Rechnungshof monierte bereits, es fehle eine Verpflichtung für den Generaldirektor, ein verbindliches strategisches Gesamtkonzept für den ORF zu erstellen. Von der vollmundig versprochenen "größten Programmreform aller Zeiten" aus Wrabetz' erster Amtszeit blieb nichts übrig. Extrazimmer oder Mitten im Achten verschwanden vom Bildschirm. Einzig Dominic Heinzls Chili flimmert weiter.
Wozu über die Zukunft reden? Gesendet wird, was gefällt - den Parteien. Seit Wrabetz vor zwei Jahren bei SPÖ-Granden als Ablösekandidat galt und es wegen der Sendung eines kritischen Beitrags über Faymanns Beziehung zur Kronen Zeitung zu einem Zerwürfnis mit dem Bundeskanzler kam, hat der ORF-General kapiert, dass es gilt, den Wünschen der Politik zu folgen, um das eigene Überleben zu sichern. Als Wrabetz ihren Mann Grasl akzeptiert hat, gab die ÖVP die Zustimmung zur Gebührenrefundierung: Tausche 160 Millionen Euro gegen Kontrolle und Personal.
Als zentral für seine zweite Amtszeit hat Wrabetz folgende Vorstellungen genannt: eine unbefristete und vollständige Refundierung der Gebührenbefreiungen, eine Gebührenerhöhung, ein Entgegenkommen bei Werbebeschränkungen im Onlinebereich und die Ausdehnung von Werbezeiten im Fernsehen. Dabei darf der ORF im Gegensatz zu deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern schon jetzt auch nach 20 Uhr werben und verlangt schamlos Produktionskostenzuschüsse für Berichterstattung, die im öffentlich-rechtlichen Auftrag liegt. Um diese Wünsche durchsetzen zu können, braucht Wrabetz die Politik - dort werden wieder Gegenleistungen verlangt.
Dass sich ORF-Mitarbeiter parteipolitisch deklarieren müssen, um etwas zu werden, ist ein Verrat am journalistischen Prinzip der Unabhängigkeit. Im Unternehmen und von den Mitarbeitern wird das inzwischen als normal angesehen: Der ORF begibt sich in den Würgegriff der Parteien und stellt immer mehr seine Legitimation als öffentlich-rechtlicher Sender infrage. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.8.2011)