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foto: apa/altwein

Der deutsche Finanzminister Hans Eichel überraschte die strauchelnde Wirtschaftsmacht Deutschland am Sonntag mit einem Geständnis: In einem Radiointerview räumte er erstmals ein, dass im Budget für kommendes Jahr eine Finanzlücke von "plus/minus fünfzehn Milliarden Euro" klafft. Erst am Freitag hatte der angeschlagene Ressortchef zugeben müssen, dass die Neuverschuldung mit rund 38 Milliarden Euro fast doppelt so hoch ausfällt wie geplant.

Hoffen auf Wachstumsanstieg

Zum ersten Mal sprach Eichel von der Möglichkeit, dass Deutschland auch 2004 zum dritten Mal in Folge die Drei-Prozent-Defizitgrenze des EU-Stabilitätspakts überschreiten könnte. Ob dieses Kriterium eingehalten werde, hänge unter anderem von der Weltwirtschaft ab, so Eichel. Voraussetzung für die Einhaltung sei, dass das Wachstum tatsächlich ansteige. Die Regierung veranschlage für 2004 weiterhin ein Wachstum von rund zwei Prozent.

Für heuer rechnet die rot-grüne Regierung in Berlin mit 0,75 Prozent. Die EU-Kommission geht von 0,4 Prozent aus, wie sie am Wochenende bestätigte. Wie berichtet, ist die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal wegen eines starken Anstiegs der Importe und rückläufiger Bauinvestitionen um 0,2 Prozent im Vergleich zum vierten Quartal 2002 geschrumpft.

Eichel will Druck aufbauen

EU-Währungskommissar Mario Solbes verlangte am Wochenende, Deutschland müsse die längst fälligen Reformpläne ohne Abstriche umsetzen. Nur bei weiterer Budgetkonsolidierung könne die Bundesrepublik die Maastricht-Kriterien 2004 einhalten. Bei einem neuer- lichen Überschreiten drohen Deutschland Strafzahlungen.

Bisher ist der deutsche Finanzminister mit schlechten Nachrichten erst dann an die Öffentlichkeit gegangen, wenn die negativen Entwicklungen offensichtlich und damit der Druck übermächtig war. Dass Eichel nun vorprescht, hängt damit zusammen, dass der SPD-Minister Druck aufbauen will, damit die von Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgeschlagenen Reformen im Wirtschafts-und Sozialbereich trotz innerparteilichen Widerstandes durchgesetzt werden.

Weitere Einsparungen

Für dieses und nächstes Jahr kündigte Eichel Einsparungen an. Die Haushaltsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Anja Hajduk, hatte bereits erklärt, es müssten für 2004 Ausgaben und Steuervergünstigungen von mindestens 15 Milliarden Euro gestrichen werden.

In Diskussion ist auch, die geplante Zinsabgeltungssteuer zu verschieben, da bei der bisherigen Verrechnung über die Einkommenssteuer kurzfristig mehr hereinkommt. Geplant war eine Zinsertragssteuer in Höhe von 25 Prozent, gekoppelt mit einer zeitlich begrenzten Amnestie für Steuersünder - in der Hoffnung, dass diese ihr Geld aus dem Ausland zurückholen. Laut Eichel würden von den Sparplänen nur Mittel für Kinderbetreuung, den Forschungsbereich sowie für Bildung und Ausbildung ausgenommen.

Die Opposition fordert, dass die Regierung - wegen der eigenen hohen Schuldenlast - ausstehende Auslandskredite zurückfordern soll. Die Gewerkschaften wollen ihre Proteste intensivieren. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD Print-Ausgabe, 26.5.2003)