Skopje - Die Behörde des EU-Sondergesandten in Mazedonien, Alexis Brouhns, will nicht mehr ausschließen, dass bewaffnete Gruppen die frühere jugoslawische Teilrepublik erneut in eine Krise stürzen können. "Wir rechnen mit weiteren Vorfällen", erklärte die EU-Sprecherin in Skopje, Irene Guzlova, am Wochenende. Kurz zuvor hatte die Waffenkontrollbehörde des Landes bekannt gegeben, dass weiterhin rund 100.000 Gewehre und Pistolen im illegalen Besitz der Bevölkerung seien.

Westliche Sicherheitskreise gehen sogar davon aus, dass mehr als 300.000 zum Teil schwere Waffen im Umlauf sind, von denen viele nach dem Aufstand in Albanien 1997 nach Mazedonien gelangt seien. Diese kamen bereits im Frühjahr und Sommer vor zwei Jahren zum Einsatz, als die panalbanischen Separatisten der "Nationalen Befreiungsarmee" (UCK) das Land an den Rand eines Bürgerkrieges brachten. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen UCK-Kämpfern und Einheiten der mazedonischen Armee konnten erst im August 2001 durch das unter Vermittlung der EU ausgehandelte Abkommen von Ohrid beendet werden.

"Sicherheitsgefahr"

EU-Sprecherin Guzlova bestritt jedoch, dass Angehörige der seit einigen Monaten aktiven UCK-Nachfolgeorganisation "Albanische Nationalarmee" (AKSh) die größte Sicherheitsgefahr für das Zwei-Millionen-Einwohner-Land darstellten. "Bis heute ist unklar, ob es sich bei der so genannten Albanischen Nationalarmee überhaupt um eine einheitlich operierende Truppe handelt", sagte Guzlova. "Möglicherweise nutzen hier mehrere rivalisierende Gruppen das politische Kürzel nur als Aushängeschild, um ihre kriminellen Aktivitäten dahinter zu verbergen."

Im Kosovo hatte der Leiter der Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen (UNMIK), Michael Steiner, die grenzübergreifend agierende AKSh vor einem Monat als "terroristische Organisation" verurteilt, ein Schritt, vor dem die Regierung in Skopje offenbar zurückschreckt, weil sie die panalbanischen Extremisten nicht unnötig aufwerten will. Nach Angaben der Ende März nach Mazedonien entsandten EU-Militärmission EUFOR soll die AKSh zwischen 50 und 100 Mann stark sein. Erst am vergangenen Wochenende hatte sich die für den Zusammenschluss aller albanischen Siedlungsgebiete in Mazedonien, Griechenland, Südserbien, Montenegro, dem Kosovo und Albanien eintretende Organisation zum Beschuss einer Kaserne der mazedonischen Armee in Tetovo bekannt.

In der im Westen des Landes gelegenen Stadt war es zu schweren Ausschreitungen zwischen slawisch-mazedonischen und albanischsprachigen Jugendlichen gekommen. Während die EU-Sprecherin Guzlova nicht glaubt, dass die als AKSh auftretenden Kämpfer das Potenzial hätten, relevante Teile der albanischen Minderheit auf ihre Seite ziehen zu können, ist man in westlichen Kreisen in Skopje weniger optimistisch. "In diesem Land reichen 20 bewaffnete Kämpfer, um den Konflikt wieder richtig in Gang zu bringen", sagte ein europäischer Diplomat, der namentlich nicht genannt werden wollte. (APA)