London - Der britische Premierminister David Cameron kündigte an, einen Fonds gründen zu wollen, um alle Betroffenen der Krawalle zu entschädigen. Er kündigte einen millionenschweren staatlichen Fonds für die betroffenen Gemeinden und Stadtteile an. Damit sollen die Gemeinden sicher und saubergemacht werden, sagte Cameron.

"Jeder Betroffene wird eine Entschädigung erhalten, auch wenn er nicht versichert ist", betonte der Regierungschef. Zudem werde die Regierung Notfallunterkünfte finanzieren.

Der Sachschaden nach den Krawallen in Großbritannien wird sich auf bis zu 200 Millionen Pfund (228 Millionen Euro) belaufen. Diese Summe nannte der Premierminister als möglichen Betrag, den die Versicherungen auszahlen müssen. 

Polizei darf Vermummungen herunterreißen

Die britische Polizei soll nach der Randale der vergangenen Tage mehr Entscheidungsspielraum bekommen. So soll Polizisten künftig erlaubt werden, die Gesichtsmasken von vermummten Gewalttätern zu entfernen, sagte der Premierminister. "Wir müssen ein Jahr vor den Olympischen Spielen zeigen, dass Großbritannien nicht zerstört, sondern aufbaut", sagte Cameron.

Premier unter Druck

Cameron war zuletzt unter Druck geraten. Vor einer Sondersitzung des Parlaments (12.30 MESZ Rede Camerons) und einer Beratung des Krisenkabinetts am Donnerstag forderten Politiker der Opposition und auch des Regierungslagers, bereits beschlossene Sparmaßnahmen bei der Polizei zurückzunehmen. In der Nacht blieb England erstmals seit dem Gewaltausbruch in London am Wochenende von Krawallen verschont.

Die Kürzung der Ausgaben für den Polizeiapparat um 20 Prozent und der damit einhergehende Stellenabbau seien weniger als ein Jahr vor den Olympischen Sommerspielen in der britischen Hauptstadt unrealistisch, sagte Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson. Angesichts der gewalttätigen Ausschreitungen hunderter Jugendlicher und der Zerstörungen durch Brandsätze in London und anderen Großstädten seien nun auch Regierungsmitglieder der Meinung, dass die Zahl der Polizisten nicht verringert werden dürfe, berichtete die Zeitung "The Guardian".

Cameron hält an Polizei-Kürzungen fest

Cameron räumte am Donnerstag ein, dass es zum Beginn der Krawalle am vergangenen Wochenende Mängel bei der Reaktion der Sicherheitskräfte gab. Inzwischen werde aber längst hart durchgegriffen. Cameron bedankte sich bei den Polizisten, gab aber zu, dass anfangs "einfach zu wenig" Polizisten auf den Straßen gewesen seien, zudem hätte die "Taktik nicht funktioniert". Er blieb aber dabei, dass es Kürzungen bei der Polizei geben werde.

So habe die Londoner Polizei in den vergangenen Tagen bewiesen, dass sie in der Lage sei, aus den vorhandenen Ressourcen "den maximalen Effekt" herauszuholen. Er sei überzeugt, dass Kürzungen innerhalb der nächsten vier Jahre - auch ohne Verluste bei der Sicherheit - "absolut erreichbar" sind.

"Von Thatcher lernen"

Auch Johnsons Gegenkandidat für die Bürgermeisterwahl im nächsten Jahr, Ken Levingstone, will die Kürzungen verhindern. Er schlug Cameron vor, von seiner Vorgängerin Margaret Thatcher zu lernen. Diese hatte die These vertreten, in Zeiten der Rezession müsse die Polizeigewalt verstärkt werden, um etwaigen Aufständen begegnen zu können.

Gerichte arbeiten rund um die Uhr

Nach Angaben der Polizei sowie von Augenzeugen blieb es in der Nacht auf Donnerstag in Englands Straßen weitgehend ruhig. Dafür sorgte ein Großaufgebot von Sicherheitskräften, allein in London waren 16.000 Beamte im Einsatz. Bis Mittwochabend waren landesweit mehr als 1300 mutmaßliche Randalierer und Plünderer festgenommen worden. Gerichte arbeiten derzeit rund um die Uhr. Fast 300 mutmaßliche Täter wurden bereits angeklagt, mehrere von ihnen erhielten in Schnellverfahren mehrmonatige Haftstrafen.

In Birmingham gedachten Hunderte bei einer Mahnwache der drei jungen Männer aus muslimischen Einwandererfamilien, die in der Nacht auf Mittwoch von einem Auto überfahren und getötet worden waren. Die Männer im Alter von 21, 30 und 31 Jahren gehörten nach Schilderungen von Augenzeugen zu einer Gruppe, die Geschäfte ihrer Wohngegend vor Plündererbanden schützen wollte.

Der Vater eines der Opfer trug mit einem Appell, keine Vergeltung zu üben, maßgeblich dazu bei, dass es auch in Birmingham trotz der dort weiterhin angespannten Lage keinen neuen Gewaltausbruch gab. (APA)