Romantikpicknick auf 1125 Meter Seehöhe: Vom "Sternenbalkon" aus überblickt man den ganzen Millstätter See.

 

Informationen: www.millstaettersee.at

Foto: Harald Fidler

Gottlieb Strobl hat schon viele Gesichter gesehen, und er sagt, sie verändern sich. Wenn die Touristen morgens um acht an seinen Steg kommen, manchmal müde, manchmal laut, manchmal noch mit dem Arbeitsstress in ihren Minen, dann erzählt er ihnen von seinen Booten. Wie sie früher waren. Wie sie heute sind. Und wenn seine Gäste dann selbst in eines dieser kleinen Boote steigen, in der Morgensonne an das andere Ufer rudern und dort, unter den ins Wasser hängenden Bäumen, innehalten und das Wasser, die Stille, die ganze Stimmung auf sich wirken lassen, dann fällt der Alltag ab. Wenn sie die Boote verlassen, sieht man die Zufriedenheit. Sagt Gottlieb Strobl.

"Buchtenwandern" nennt sich der morgendliche Ausflug über den Millstätter See in Kärnten, und er zählt zu einer der diversen "Seeberührungen", mit denen das Tourismusbüro - inklusive Registered-Trademark-Zeichen - wirbt. Aktivitäten also, die mehr sein sollen als nur Schwimmen und Rumpaddeln, was man schließlich an jedem See tun kann.

Ganz zu Beginn, gibt der Bootsverleiher mit dem sonnengegerbten Gesicht zu, sei er selbst etwas skeptisch gewesen. Aber der morgendlichen Atmosphäre könne man sich nicht entziehen.

Knapp zwei Stunden dauert die Runde am Südufer. Für den einen Kilometer bis auf die andere Seite des Sees lässt Strobl sich Zeit. Natürlich gebe es auch Leute, die zeigen wollen, wie schnell sie rudern können. Aber solcherlei Wettkampfambitionen erstickt er im Keim. Dann hält er auf der Mitte des Sees an und lässt das Panorama wirken: die Ortschaften Seeboden, Millstatt und Döbriach und die Berge, die sich dahinter erheben, den Tschiernock, die Millstätter Alpe, den Mirnock.

Ein See in acht Etappen

Sie alle verbindet der vor zwei Jahren eröffnete Höhensteig, der in acht Etappen rund um das Gewässer führt. Der See ist zwar nur 13 Kilometer lang, aber mit allen Nebenrouten kommen 200 Kilometer Wanderwege zusammen. Stets mit Blick auf das Wasser. Und stets mit einer besonderen Erfahrung, die der Wanderer hier machen soll, denn: was für die "Seeberührungen" gilt, soll auch für die "Bergberührungen" gelten. Nur zu zu wandern ist nicht genug.

Von der Lammersdorfer Hütte auf 1600 Meter geht es über Viehweiden und kurze Waldstücke nach oben auf die Millstätter Alpe. Schon weit vor dem Gipfel fallen die rostbraunen Steine auf, die überall auf den Wegen liegen: Granate. Sie können Kraft spenden, die Ausdauer stärken, bei Depressionen helfen und böse Träume vertreiben - so sagen es einschlägige Seiten im Internet.

Und weil die Millstätter Alpe laut Tourismusbüro das größte Granatvorkommen Europas enthält, steht auf dem Grad des Höhenrückens nun auch ein Bogen, dessen Pfeiler mit Granatsteinen gefüllt sind: das "Granattor". Von der Lammersdorfer Hütte aus erreicht man es in anderthalb Stunden. Der Blick über den See und seltene Pflanzen wie der Speik oder Arnika lohnen den Aufstieg.

"Kraft und Magie"

Den Nachbarberg Mirnock preist das Tourismusbüro als "Weltenberg, Sitz der Götter, Ursprung von Kraft und Magie" an. Hier sollen sich zwei Magnetfeldlinien überschneiden, auf deren Linien auch die großen Klöster Kärntens und Sloweniens liegen. Die Mirnock-Schnittstelle soll wachstumsfördernd wirken.

Das konnte bis Redaktionsschluss zwar nicht überprüft werden, doch dieser Berg bietet wie auch der morgendliche See einen hohen Romantikfaktor. Vom östlichen Ende des Sees bei Döbriach schlängelt sich die Straße an Viehweiden und Bauernhöfen vorbei bis auf 1125 Meter Seehöhe zum Alpengasthof Bergfried. Ein Feldweg führt vom Parkplatz ein Stück weiter nach unten, wo sich der sogenannte "Sternenbalkon" erhebt, ein Aussichtspunkt, von dem aus man den ganzen See und die Berggipfel überblickt.

Die Wirtin im Alpengasthof drückt einem einen Picknickkorb und eine Decke in die Hand. Bei Käse und Bauernschinken von den Mirnock-Bauern lässt sich dann ungestört beobachten, wie die letzten Sonnenstrahlen auf die Berge fallen und die Sterne am Himmel erscheinen. Vor zu viel Romantik schützt die Tatsache, dass die Gäste des Gasthofs den Sternenbalkon von ihrer Terrasse aus im Blick haben - und es auf dem Berg bei Dunkelheit trotz Decke sehr rasch sehr kalt werden kann. (Julia Raabe/DER STANDARD/Printausgabe/13.08.2011)