Wien - Die Wiener Nacht-U-Bahn feiert den ersten Geburtstag: Vom 3. auf den 4. September 2010 waren die Züge erstmals rund um die Uhr unterwegs. Seither steht Nachtschwärmern dieses Angebot jeweils vor Samstagen und Sonntagen sowie vor Feiertagen zur Verfügung. Und der Andrang ist groß: Die ursprünglichen Prognosen wurden deutlich übertroffen. Inzwischen haben mehr als 5 Millionen Fahrgäste das neue Angebot genutzt.
Dass es dieses geben wird, war dabei keineswegs immer klar: Bereits 2009 forderte der JVP-Obmann und nunmehrige Staatssekretär Sebastian Kurz einen durchgehenden Betrieb. Der Vorschlag sorgte für Aufregung, was aber weniger am Inhalt, sondern an der Form lag. Die JVP hatte sich als Werbemittel zwei Pappfiguren zimmern lassen, die das Schild "24 h Verkehr am Wochenende" vor die Brust halten. Die weiblichen Figur hinter dem Schild war offensichtlich entblößt.
Sexismus-Vorwürfe
Die Stadt-Schwarzen mussten sich daraufhin Sexismus-Vorwürfe gefallen lassen. Und sie bekamen auch in der Sache selbst eine Abfuhr: Die SPÖ zitierte Umfragen, wonach eine Nacht-U-Bahn von den Wiener nicht gewünscht werde. Außerdem wäre diese zu teuer, wetterte die Regierungspartei. Schließlich entschloss man sich jedoch, sich noch einmal genauer zu erkundigen, nämlich im Rahmen der Volksbefragung Anfang 2010. Sie brachte schließlich eine (wenn auch knappe) Zustimmung.
Nach umfangreichen Vorbereitungen war es im September dann so weit. Der Betriebsschluss - der ansonsten zwischen Mitternacht und 1.00 Uhr auf dem Programm steht - wurde gestrichen. Die Nachtzüge sind im 15-Minuten-Takt unterwegs. Rund 200 Mitarbeiter die Wiener Linien sind jeweils im Einsatz. Reduziert wurde an den Wochenenden übrigens das Angebot der Nacht-Autobusse, da die Routen zum Teil parallel an den U-Bahn Linien entlang führen.
Nicht mehr in jedem Zug Polizei
Und während zunächst geschätzt wurde, dass rund 30.000 Menschen des nächtens im Untergrund verkehren werden, gibt es nun konkrete Zahlen: Durchschnittlich benutzen pro Nacht 45.000 Personen die Wiener U-Bahn, wobei der Spitzenwert im "regulären" nächtlichen Angebot bei 85.000 lag. Dies wurde während des Donauinselfestes erzielt, lediglich zu Silvester war der Andrang noch größer. Zum Jahreswechsel gab es jedoch auch bisher schon durchgehenden Betrieb.
Adaptierungen gab es zuletzt im Bereich Sicherheit. Zu Beginn waren noch in jeder Garnitur zwei Polizisten mit dabei. Das ist inzwischen nicht mehr der Fall, ein Teil der Uniformierten wird an Knotenpunkten konzentriert. Die Personalstärke sei jedoch nicht verändert worden, wurde versichert. Eine exakte Jahresbilanz aus Sicht der Polizei wird es, so wurde dort betont, erst im September geben. Die Nacht-U-Bahn gilt aber als durchaus sicheres Verkehrsmittel.
Geburtstagsfest
Zum Jubiläum veranstalten die Wiener Linien am 2. September die "Nightride"-Event-Nacht. Ein Ticket, das zugleich als Fahrschein für die Öffis gilt, gewährt freien Eintritt in über 30 teilnehmende Lokale, Bars und Clubs. U-Bahn-Feten gibt es unter anderem im U4, im Volksgarten oder im Chelsea. An diesem Tag - bzw. in dieser Nacht - wird auch die U6, die derzeit in einem Teilabschnitt gesperrt ist, wieder durchgehend fahren.
Die Junge ÖVP setzt unterdessen die nächsten Schritte: Sie fordert anlässlich des ersten Geburtstags die Einführung von Nacht-Straßenbahnen. Solche gibt es noch nicht - mit einer temporären Ausnahme: Der Ersatzverkehr während der U6-Teilsperre erfolgt mittels Straßenbahn, die an Sams-, Sonn- und Feiertagen ebenfalls in der Nacht unterwegs ist. (APA)