Wenn ich jemandem erzähle, dass ich meine Freundin im Internet kennengelernt habe, ernte ich meist mitleidige Blicke. Partnerbörsen gelten als Restehaufen für alle, die zu lange am Markt waren. Dabei gibt es gute Gründe dafür, etwa Zeit. Meine Geschichte beginnt jedoch woanders. Beim Bloggen.
Blogs sind Kommunikation. Jeder Beitrag ein Gespräch, an dem Bekannte und Fremde teilnehmen können. Manchmal fühlt es sich an, wie am Morgen nach einer Party mit Freunden heimzugehen und über das Leben zu philosophieren. Manchmal wie das Gespräch im Supermarkt, wo sich immer mehr Personen beteiligen. Die Themen werden weitergetragen - im Gegensatz zur Offline-Welt meist mit Referenz auf ihren Ursprung.
Es passierte vor vier Jahren. Damals bloggte ich seit knapp einem Jahr. Eines Tages stolperte ich in einem Blog namens "Daily Me" über einen Link zum Blog "niemandsdinge" . Wie so oft las ich erst einmal ein paar Beiträge quer, freundete mich recht schnell mit dem Schreibstil an und abonnierte den Blog.
Das Internet ermöglicht asynchrone Kommunikation in vielen Bereichen. Ideal für Menschen, denen der perfekte Satz erst am nächsten Tag einfällt. Aber auch für viele andere. Der Klassenclown findet Platz für seine Späßchen, der Schüchterne kann erst einmal nur zuschauen.
Irgendwann habe ich Mia in einem Beitrag verlinkt, und ab diesem Zeitpunkt haben wir uns gegenseitig gelesen. Also die Blogs. Und gelegentlich kommentiert. Als sie auf dem Blog gefragt hat, ob sie jemand bei einem Podcast unterstützen könne, bot ich ihr meine Hilfe an. Via E-Mail oder Skype (die Handynummer im Internet). Zu Beginn schrieben wir vor allem, früher wären es Briefe gewesen, heute oft SMS, bei uns waren es Skypenachrichten. Mitten in der Nacht gestand man sich die gegenseitige Sympathie.
Das Internet öffnet einen weltweiten Pool an möglichen Partnern. Theoretisch. Wir hatten nicht gesucht, waren glückliche Singles. Erst nur befreundet, wir halfen uns gegenseitig und hatten Spaß. Bis es irgendwann mehr wurde.
Das Internet ist keine eigene Welt, sondern verknüpft die Welt in der wir leben. Ermöglicht, dass wir mit Menschen kommunizieren, mit denen wir offline nie in Kontakt gekommen wären. Bringt neue Perspektiven mit sich und verändert das Denken. Manchmal.
Das Internet gibt vor, Entfernungen zu überbrücken, tut dies jedoch nur teilweise. 800 Kilometer. Mit dem Zug sieben bis neun Stunden. Bei Verspätung auch zwölf. Am Tag, nachdem wir uns nähergekommen waren, wollte ich es wieder beenden. Mein damaliger Projektpartner hat mir von seinen gescheiterten Fernbeziehungen erzählt, und ich hatte Angst, dass es vor allem Schmerzen bringen würde.
Mia verstand mich, meinte aber, dass wir es einfach probieren sollten. Nicht hineinsteigern, nicht die Liebe fürs Leben erschaffen, sondern mit einem Menschen zusammen sein, den man gernhat. Und wenn es nicht mehr geht, dann geht es nicht mehr.
Das Internet hilft, Fernbeziehungen am Leben zu erhalten
Vom ersten Kennenlernen bis zum Näherkommen vergingen vier Monate. Bis wir uns das erste Mal sahen, weitere sechs. Ich hatte Urlaub und wollte ein paar Tage bei ihr bleiben. Es wurde fast ein Monat daraus. In den folgenden Jahren vergingen oft mehrere Monate, bis man sich wiedersah. Die Abschiede waren unglaublich schmerzhaft.
Das Internet hilft, Fernbeziehungen am Leben zu erhalten. Nahezu jeden Tag zwischen einer und drei Stunden miteinander reden. Die restliche Kommunikation fand meist öffentlich statt. Viele Blogs haben tagebuchähnlich begonnen, so auch meiner. Menschen geben Dinge aus ihrem Leben preis, ermöglichen ein Miterleben. Man kann dadurch keinen Menschen komplett kennenlernen, aber es gibt einen Einblick, ein Gefühl. Im Internet weiß man über das Gegenüber oft mehr, als wenn man es nur offline kennenlernt.
Neben Skype fand ein Großteil unserer Kommunikation öffentlich statt. Wir ließen und lassen andere Menschen an unserer Beziehung teilhaben. Manchmal bewusst, manchmal unbewusst. Mehrdeutige Nachrichten auf Twitter, Blogbeiträge und indirekte Kommunikation. Für jemanden, der uns nicht kennt, sind viele Nachrichten unverständlich, für andere reicht ein Wort, und sie wissen, worum es geht.
Vier Jahre Fernbeziehung. Das Internet hilft, jedoch kann es körperliche Nähe nicht ersetzen. Es hilft zu überbrücken, doch nach einer gewissen Zeit braucht man ein greifbares Ende der Entfernung. Zumindest am Horizont. Vor drei Wochen bin ich zu ihr gezogen.
Jetzt hilft mir das Internet, in Kontakt mit meinen Freunden zu bleiben. Wir haben einen gemeinsamen Blog gestartet, wo es für jeden möglich, ist unsere Beziehung zu verfolgen: http://herzding.net