Oslo - Drei Wochen nach den verheerenden Anschlägen in Norwegen hat eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission zur Bewertung der Taten ihre Arbeit aufgenommen. Regierungschef Jens Stoltenberg erklärte am Freitag, für sein Land sei es wichtig, alle noch offenen Fragen zu klären. Die Polizei suchte unterdessen nach einer Kamera, mit der der Attentäter das Blutbad auf der Insel Utöya gefilmt haben könnte.

Für die Betroffenen des Doppelattentats mit 77 Todesopfern sei vieles noch offen, sagte Stoltenberg vor Journalisten. "Für sie ist es entscheidend, eine Antwort zu bekommen auf die Fragen: Was ist passiert? Und warum konnte das passieren?" Es sei wichtig, die Lehren aus den Angriffen zu ziehen. "Das Ziel ist es, dass sich das nicht wiederholen kann, das Ziel ist mehr Sicherheit."

"Ohne Ausflüchte"

Es müsse sowohl ein Bild von all jenen Dingen entstehen, die um die Ereignisse des 22. Juli herum gut funktioniert hätten, "aber auch von dem, was nicht funktioniert hat, ohne Ausflüchte", sagte Stoltenberg weiter. Die zehnköpfige Kommission, die von der Regierung nicht Untersuchungs-, sondern Auswertungskommission genannt wird, wird von der Juristin Alexandra Bech Gjoerv geleitet. Sie soll ihre Arbeit in ziemlich genau einem Jahr beenden.

Der geständige rechtsextremistische Attentäter Anders Behring Breivik hatte vor drei Wochen nach einem von ihm verübten Bombenanschlag im Regierungsviertel von Oslo auf der Insel Utöya das Feuer auf Teilnehmer eines Jugendlagers der regierenden Arbeiterpartei eröffnet. 69 Menschen wurden dabei getötet, acht Menschen starben bei dem Anschlag in Oslo.

Die Polizei ging am Freitag Hinweisen nach, wonach Behring Breivik das Massaker auf Utöya gefilmt haben könnte, und suchte nach der fraglichen Kamera. Der Norweger habe in Verhören von der Kamera gesprochen, noch sei sie aber nicht gefunden worden, sagte Polizeistaatsanwalt Paal-Fredrik Hjort Kraby. Zudem hat die Polizei nach eigenen Angaben noch keinen Beweis, dass die Tat tatsächlich gefilmt wurde. Jüngst hatten mehrere Medien Überlebende des Angriffs mit den Worten zitiert, Behring Breivik habe die Tat womöglich aufgenommen.

Auch in dem 1500 Seiten langen Manifest, das er vor seinen Angriffen ins Internet gestellt hatte, gibt es einen Hinweis auf eine Digitalkamera vom Typ AEE P80, um "den Einsatz zu filmen". Dort kündigte der 32-Jährige zudem an, den Speicherchip mit dem Film an verschiedene Redaktionen zu schicken. Bisher erhielt aber kein Medium einen solchen Film.

Die Boulevardzeitung "Verdens Gang" brachte am Freitag einen Bericht über einen Überlebenden von Utöya, der anschließend 17 Stunden in Gewahrsam verbringen musste, weil ihn die Polizei für einen Komplizen des Schützen hielt. Er habe nur wenige Meter von dem Attentäter entfernt die Nacht zum 23. Juli in einer Zelle verbracht, während seine Familie ihn bereits tot geglaubt habe, zitierte "VG" Anzor Djoukaev, der aus Tschetschenien stammt. Die Polizei erklärte zur Verteidigung, der 17-Jährige habe sich "unnormal verhalten" und nicht eindeutig ausweisen können.

Die Polizei steht bereits in der Kritik, weil nach dem ersten Hilferuf mehr als eine Stunde verging, bis ein Einsatzteam auf der rund 40 Kilometer nördlich von Oslo gelegenen Insel Utöya eintraf. Auch kam in den Medien die Frage auf, weshalb Behring Breivik nicht schon vorher als potenzieller Attentäter von den Behörden identifiziert werden konnte.  (APA)