Preisfrage: "Freier Informationsfluss kann etwas Gutes sein. Aber er kann auch missbraucht werden." Wer hat dies gesagt, um ein Verbot von Twitter und anderen sozialen Netzwerken zu bewirken: a) der chinesische Premier, b) Hosni Mubarak, c) der britische Premier?

In diese Reihe stellt sich der britische Premier David Cameron mit der Forderung, "potenziellen Unruhestiftern" und "Leuten mit möglicherweise kriminellen Absichten" den Zugang zu sozialen Medien zu verbieten. Es ist ein solch offensichtlicher Vorstoß gegen Grundrechte, dass es schon fast müßig ist, die Argumente auszupacken: Wer entscheidet, dass eine Äußerung zu Ausschreitungen führen kann? Welche Verabredung könnte zu einer kriminellen Tat führen, etwa jedes Treffen vor einer Bank? Vor einem Elektroniksupermarkt? Im Park?

Internetblockaden in Tunesien, Ägypten, Libyen oder Syrien

Regierungen wie die britische haben zu Recht gegen versuchte Internetblockaden in Tunesien, Ägypten, Libyen oder Syrien protestiert. Sie kritisieren zu Recht China für dessen Verbot von Twitter oder Facebook oder die Ausforschung anonymer Blogger (auch Peking will den Missbrauch freier Information verhindern). Gleichzeitig gibt es den schnellen Verbotsreflex im eigenen Land: Cameron will bestimmen, wer was tweeten darf, der deutsche Innenminister will eine Ausweispflicht für Blogs, weil der norwegische Attentäter auf einen Blogger unter Pseudonym Bezug nahm. Der französische Präsident will Piraten den Onlinezugang für immer sperren.

Diese doppelte Moral beschneidet nicht nur Grundrechte. Sie ist auch für polizeiliche Ermittlungen kontraproduktiv: Das Netz ist de facto nicht anonym, die entsprechende Kompetenz zur Ausforschung vorausgesetzt. Und offene Netzwerke wie Twitter sind zur Beobachtung einer Szene, die man krimineller Machenschaften verdächtigt, besser geeignet als die Verdrängung in den digitalen Untergrund (einer der Gründe, warum vermutlich so viele pädophile Täter wie nie zuvor ergriffen werden).

Soziale Unruhen wie jene in London entspringen ebenso wenig wie die Rebellion gegen diktatorische Regimes sozialen Netzwerken oder dem Blackberry. Wer solche verbieten will, sollte gleich dazu auch noch das Pub, den Park und jede andere Art von Kommunikation unterbinden. Oder Ursachenforschung betreiben und jenseits der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung eine Politik, die weniger Menschen ausgrenzt. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.8.2011)