Hallein - Peter Handke betreibt in seinem Kärntner Welttheatertext "Immer noch Sturm" poetische Wurzelkunde: Er beschwört die Erscheinung seiner slowenischen Vorfahren. Er zitiert sie - und sich - auf das Jaunfeld, um als Zuhörer wie als familiär Verstrickter über das Schicksal einer ganzen Volksgruppe Gericht zu halten - als ein Liebender, die eigene Sippe Belauschender, der ihr die herrlich tönenden Handke-Wörter und -Sätze spendiert.

Die Uraufführungsinszenierung der Salzburger Festspiele mobilisiert auf der Perner-Insel in Hallein Naturgewalten: Bühnenbildnerin Katrin Brack lässt ohne Unterlass hellgrüne Papierschnitzel auf die Spielfläche regnen. Auf dieser ereignet sich - so der Eindruck zur Pause - die Aufhebung des Theaters durch reine Poesie: Man meint, Regisseur Dimiter Gotscheff hätte alle Rücksichten auf die Unterhaltungsgelüste des Festspielpublikums fahren lassen! Im Blättergestöber werden Lebensschicksale binnen Sätzen durchmessen; im engen Lichtrund wird die Tragödie der Kärntner Slowenen gegen die so genannte Geschichtsschreibung behauptet.

Ein oratorisches Ereignis: archaisch, von Handkes schrägem Humor belebt und aus der Grube des falschen Tiefsinns immer wieder triumphal herausgerissen. In einem makellosen Hamburger Thalia-Ensemble dominiert Jens Harzer als Ich-Erzähler, der gaumig und sarkastisch einen antiken Seher gibt - von heute hinter der Handke-Brille hervorlugend, die Schemen der Vergangenheit taxierend und prüfend. Großes Gegenwartstheater auf der Höhe von Max Reinhardts Träumen. (Ronald Pohl/DER STANDARD, Printausgabe, 13.8.2011)