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Selig und auch ein bisschen rätselhaft also jene, die angesichts ihres Partners auch noch nach Jahren einen Endorphinschub bekommen.

Foto: AP/Matt Dunham

"Chemistry is what we are" hieß einmal ein Album der englischen Elektronik-Rocker Simian. Und stimmt wohl. Frisch Verliebte haben Serotoninwerte ähnlich wie bei einer schweren obsessiven Zwangsstörung. Auf Dauer ist das nicht auszuhalten. Und kann auch existenzgefährdend sein. Ich kenne jemanden, der hätte beinahe seine Firma in den Sand gesetzt, weil er über Monate in der neuen Geliebten baden musste. Ich, auch noch nie Pragmatikerin, habe einmal eine Spielsucht vorgetäuscht, um in der Nähe meines Schwarmes zu sein. Mäßig vernünftiges Beuteschema, ich weiß. Wenn wer die Kohle von damals trifft: ich hätte sie bitte gerne wieder.

Aber irgendwann hört der Spuk auf, man ist dann wieder selber jemand, auch in Abwesenheit des Anderen. Und dann wird's spannend, was sich entwickelt. Manchmal wacht man ja auf und der Schatz hat sich ein einen Arsch mit Ohren verwandelt. Unpraktisch, wenn man dann schon auf der gleichen Adresse wohnt. Selig und auch ein bisschen rätselhaft also jene, die angesichts ihres Partners auch noch nach Jahren einen Endorphinschub bekommen.

Kürzlich gab's im Fernsehen einen Bericht über Paare, die seit Jahrzehnten zusammen sind. Da war ein Bauer, er sprach nicht viel, seine Frau gar nichts. Die legte nur hie und da den Kopf schief, wenn sie der gleichen Meinung war. Ja, die waren merkbar rhythmisch im Einklang. Sie wurden gefragt, wie es denn mit der körperlichen Liebe sei, nach so vielen Jahren und jetzt im Alter. "Doch", sagte der Alte. Die wäre wichtig. Und da war doch damals dieses schöne erste Mal. Und an das müssten sie jedes Mal denken. Seine Frau legte den Kopf schief und schaute zu Boden. Lächelte.

Bindungsfähigkeit habe mit Bescheidenheit zu tun. Dann braucht's auch keine Sensationen. Die können ja auch nach hinten los gehen. Außer es kommt ein Kind. "Ein neuer Mensch, hob‘ i ma denkt." sagte der Bauer und hatte Tränen in den Augen. Ich dann auch. Das war schön und kurz ausgedrückt, was Elternliebe ausmacht.

Überhaupt bekommt man den Eindruck, dass Kinder einem sowieso alles abräumen bezüglich Gefühlen und zwar bis ins Mark. Eigene wohlgemerkt. Mein Sohn ist jetzt drei Jahre alt. Wenn er den Raum betritt, kriege ich immer noch Herzklopfen. So ist das wohl jetzt, man gewöhnt sich dran. Die ruhige Kugel der Wurschtigkeit, die zumindest wellenartig in jeder Beziehung eintritt, so ein bisschen zur Erholung vielleicht, ist in dem Fall nicht vorgesehen.

Wir sind gerade in Tirol. Er ruft "Schau mal!" und schöpft mit den Händen aus einer Kuhflade. Einer frischen. Das unendliche Grausen darüber paart sich unlogisch mit dem Stolz der Mutter eines neugierigen Kindes mit der augenscheinlichen Hochbegabung des Scheißescheffelns. Danke, Oxytocinhormon. (derStandard.at, 16.08.2011)