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Immer mehr Studierende an deutschen Unis.

Foto: AP Photo/Franka Bruns

Berlin/Wien - In Deutschland hat ein regelrechter Run auf die Hochschulen eingesetzt - und er dürfte noch deutlich stärker ausfallen als von der deutschen Regierung erwartet. Diese hat wegen geburtenstarker Jahrgänge, doppelter Abiturjahrgänge und der Aussetzung der Wehrpflicht mit einem Anstieg von zuletzt 443.000 Studienanfängern (Studienjahr 2010/11) auf 455.000 gerechnet. Für die Jahre 2011 bis 2015 stellt sie im Rahmen des Hochschulpakts 9,7 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln für Unis und Fachhochschulen (FH) zur Verfügung. Neue Prognosen gehen allerdings von bis zu 500.000 Erstsemestrigen in diesem Studienjahr aus, die Mittel aus dem Hochschulpakt dürften demnach zu gering bemessen sein.

Eine Schüler-Befragung des Hochschul-Informations-Systems (HIS) von 2010 zeigt, dass ein halbes Jahr vor dem Abschluss zwischen 55 und 77 Prozent derer, die eine Schule mit Hochschulreife abschließen, ein Studium beginnen wollen. Bei der letzten Befragung 2008 waren es noch fünf Prozentpunkte weniger.

Folge dieses "deutlich besseren Übergangs von der Schule in die Hochschule": Laut dem Centrum für Hochschulentwicklung CHE Consult fehlt bis 2015 die Finanzierung für insgesamt 175.000 potenzielle Studienanfänger, schon für diesen Herbst sollen 50.000 Anfängerplätze zu wenig da sein. Das CHE hat deshalb  bereits mit einem Anstieg von zuletzt 7.000 auf 10.000 Studienanfänger aus Deutschland an österreichischen Hochschulen gerechnet.

"Enorme Kraftanstrengung"

Trotz der zusätzlichen Mittel stehen viele deutsche Universitäten und FH am Rande ihrer Kapazitäten. Schon zwischen 2007 und 2010 hätten die Hochschulen anstelle der prognostizierten 91.000 zusätzlichen Studenten 182.000 aufgenommen, so Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). "Die Hochschulen haben damit eine enorme Kraftanstrengung geleistet."

Für Herbst ist allerdings erneut eine massive Zunahme an Studienanfängern zu erwarten: Laut einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in den 16 Bundesländern verzeichnen viele Unis einen Anstieg der Bewerberzahlen zwischen 20 und 50 Prozent - allerdings ist der Bewerbungsprozess noch nicht abgeschlossen, es sind deshalb noch Doppel- und Mehrfachanmeldungen in den Zahlen enthalten.

10.000 zusätzliche Plätze

Von einem kräftigen Plus kann dennoch schon jetzt ausgegangen werden: Die Hochschulen in Bayern haben bei den Erstsemestrigen wegen der doppelten Abiturjahrgänge bereits im vergangenen Sommersemester ein Plus von 171 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2010 verzeichnet - und das, obwohl Bayern neben Niedersachsen das einzige deutsche Bundesland ist, das Studiengebühren einhebt. Der dortige Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) will deshalb bei anhaltendem Ansturm ab 2012 rund 10.000 zusätzliche Studienplätze einfordern.

Als Reaktion auf den Andrang werden an den Hochschulen ab Herbst mehr Fächer als bisher mit Numerus Clausus beschränkt: In Tübingen, wo die Bewerberzahl um die Hälfte gestiegen ist, gibt es mittlerweile in fast allen Bachelor-Studien einen NC, ebenso an der Bremer Uni und der Freien Uni Berlin. In Hessen sind mittlerweile auch an den FH zwei Drittel der Studiengänge per NC beschränkt. Andere Hochschulen wollen dem Ansturm Herr werden, indem Lehrveranstaltungen in Kinos oder Stadthallen ausgelagert, über das Internet übertragen oder bis zum späten Abend bzw. an Samstagen abgehalten werden. (APA/dpa)