Linz - Wernher von Braun (1912-1977) hat während des Zweiten Weltkriegs Pläne für den Raketenbau im oberösterreichischen Redl-Zipf verfasst. Die Unterlagen wurden nun von der "Arge Schlier" entdeckt, einem Personenkreis, der sich mit der Geschichte des ehemaligen Nazi-Rüstungsbetriebes in Redl-Zipf befasst.

Wernher von Braun war von 1937 bis 1945 der Technische Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf der Insel Usedom. Hier leitete er unter anderem die Entwicklung des Aggregats 4, kurz A4 genannt, einer Großrakete mit Flüssigtreibstoff. Ab 1943 wurde die Rakete in Serie gebaut und nach ihren ersten Einsätzen gegen London V2 (Vergeltungswaffe 2) genannt. Sie war eine der "Wunderwaffen" des Dritten Reiches, die ihm doch noch den Sieg im 2. Weltkrieg bringen sollten.

Wegen der zunehmenden alliierten Bombenangriffe auf Deutschland sollte die Raketen-Produktion weiter in den Osten und unter Tage verlegt werden. Ab Herbst 1943 befand sich dazu im Bereich der heutigen Brauerei Zipf das "Vorwerk Schlier". Dorthin wurden die Triebwerksprüfungen für einen Teil der Serienfertigung verlagert. Im angeschlossen KZ-Nebenlager von Mauthausen waren rund 2.300 Häftlinge untergebracht und mussten die schweren Ausschachtungs- und Betonierarbeiten ausführen. Wobei bisher nachweislich mindestens 266 Häftlinge ihr Leben verloren.

Zwanzig Schachteln voller Akten

In einem Archiv konnte die Arge Schlier nun erstmals Einsicht in 20 Schachteln voller ungeordneter Akten aus Peenemünde nehmen, die erst kürzlich aus den USA zurückgekommen seien, berichtete sie. Dabei sei auch ein Dokument vom 31. August 1944 zum Vorschein gekommen, das von Braun in Karlshagen verfasst hatte. In dieser Aktennotiz gab er genaue Anweisungen über den Ausbau des Triebwerksprüfstandes in Zipf, die dann von einem Architekturbüro unter Aufsicht des SS-Baustabes an Ort und Stelle von Zivilarbeitern und KZ-Häftlingen ausgeführt werden mussten.

Von Braun reagierte damit auf einen schweren Explosionsunfall am Zipfer Prüfstand, der 27 Personen das Leben kostete, unter ihnen befand sich auch die Tochter des Raketenpioniers Hermann Oberth, Ilse Oberth. Die erst 20-Jährige sollte auf Wunsch ihres Vaters und mit von Brauns Hilfe aus Zipf weg versetzt werden, wurde aber bei ihrem letzten Arbeitseinsatz getötet. Die Arge Schlier vermutet, dass sich von Braun wegen der emotionalen Verbindung zu seinem geistigen Vater Hermann Oberth unüblicherweise beim Wiedererrichten des beim Unfall zerstörten Prüfstandes in Zipf besonders engagiert und sogar bautechnische Anweisungen zur Erhöhung der Sicherheit der Anlage gegeben hat.

Derzeit besteht noch ein Triebwerksprüfstand aus der Pionierzeit der Raumfahrt. Die Arge Schlier will die Stollen- und Bunkeranlagen des ehemaligen Rüstungsbetriebes Schlier erhalten, dokumentieren und geordnet zugänglich machen. (red/APA)