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Kein Ordnungsruf, sondern nur das vertraute Bimmeln der Empörung: FP-Chef H.-C. Strache steht nach wie vor hinter dem Kärntner LH-Stellvertreter Uwe Scheuch.

Foto: APA/Eggenberger

In den blauen Reihen grassiert die Angst. Man fühlt sich von der links-linken Jagdgesellschaft verfolgt. Die Märtyrer der Gerechtigkeit, wie etwa Uwe Scheuch, werden durch die Polit-Justiz zu Fall gebracht. Kurt Scheuch, der Bruder, will einer Verbindung des Richters mit den Freimaurern nachspüren. Der alte Haider-"Claim" "Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist" weht immer noch durch die blauen Reihen. Vor wem man sich fürchten muss, den nimmt man ernst. Damit ist Respekt garantiert.

Allein, fürchten muss man sich vor der FPÖ nicht. Diese Polit-Garde ist vielmehr ein Angsthasentrupp, der aus dem Fürchten gar nicht mehr herauskommt - vor der Überfremdung, vor der Globalisierung, dem linken Medienkartell und generell einer immer schlechter werdenden Welt. Es ist auch nicht verwunderlich, dass sich FPÖ-Politiker und ihre Wähler so fürchten müssen. Frei von einem Gefühl der Eigenverantwortlichkeit fühlen sie sich einer unüberblickbar werdenden Welt ausgeliefert. Schuld haben dabei immer die anderen.

Warum ist die FPÖ in der Schüssel-Regierung gescheitert? Man wurde von der ÖVP über den Tisch gezogen, eigene Leute vom Eurofighter-Konzern EADS rausgekauft. Hinter dem Unfalltod von Haider steckt der Mossad, ähnliches wird zum 11. September vermutet. Nach diesem Schema wird von strammen Rechten bis heute das Kriegsende 1945 erklärt: Deutschland war Opfer, nicht Täter. Die historischen Belege? Von Hitchcock und den Amerikaner im Nachhinein produziert.

Schuld an Scheuchs misslicher Lage hat jetzt eben die linke Jagdgesellschaft, wobei bei der Aussicht auf sechs Monate Gefängnis selbst einer Kärntner Frohnatur das Lachen vergeht. Was macht die FPÖ? Die Partei steht hinter Scheuch und lässt die üblichen blauen Propagandaparolen vom Stapel. Und unsere Regierungsvertreter? Sind im Urlaub. Heinz Fischer ließ sich bereits nach zwei Wochen Dauerfeuer auf einen unabhängigen Richter zur Kritik an der FPÖ erwärmen, Justizministerin Karl setze eine an Langeweile kaum zu überbietende OTS-Meldung ab. Kurz vor dem Scheuch-Urteil wurde noch der FPÖ-Abgeordnete Werner Königshofer wegen unsäglicher Äußerungen rund um die Anschläge in Norwegen aus der Partei entfernt. Martin Graf protestierte dagegen, Strache rügte daraufhin Graf, und Graf relativierte flugs seine Kritik. Und wäre das Ganze nicht bittere Realität, könnte man dieses erbärmliche Schauspiel für schlechtes Provinz-Sommertheater halten.

Dabei hatten sich die Blauen in den vergangenen Monaten so schön Richtung 30 Prozent in den Umfragen bewegt. Strache erhob vor lauter Vorfreude bereits den Kanzleranspruch, und der Rest des Landes döste einem FPÖ-Sieg 2013 bereits lethargisch entgegen. Nach fünfzehn Jahren FPÖ-Dauerfeuer ist man an Stil und Inhalt der Blauen gewöhnt. Der Dämmerschlaf wurde jetzt unterbrochen, einzelne FPÖ-Politiker führten in einer zugespitzten Variante öffentlich vor, was sich in der mentalen Welt der meisten FPÖ-Funktionäre ohnehin abspielt - nur eben unausgesprochen.

Die FPÖ ist so rechts wie eh und je, und nichts anderes kann die FPÖ auch jemals sein. Strache will sich vom rechten Rand seiner Partei befreien? Dann sitzt er künftig mit drei Getreuen alleine im Parlament und kopiert Unterlagen selbst, die vielen parlamentarischen Mitarbeiter aus diversen Burschenschaften sind dann nämlich weg. Die FPÖ hat sich personell und thematisch nie in die Mitte bewegt, nur das Potenzial der mit der Politik unzufriedenen Wähler hat sich enorm vergrößert.

Mythos "kleiner Mann"

Der Witz dabei ist, dass viele FPÖ-Sympathisanten die Performance von Blau-Orange in der Regierung vergessen haben. Jörg Haider und weiten Teilen seiner Mannschaft ging es nie um die Belange ihrer Wähler. Genauso wenig wie diese der jetzigen FPÖ-Riege ein Anliegen sind. Unter Schwarz-Blau sind vielmehr die Dämme jeglicher politischer Kultur in diesem Land gebrochen und drücken bis heute auf das Niveau der Politik. Da wurden öffentliche Budgets zur Parteienfinanzierung leergeräumt und Posten besetzt, dass einem nur so schwindlig wurde. Hatte die FPÖ bereits unter Schüssel Probleme beim Stellen einer Regierungsmannschaft, ist die jetzige Garde in etwa so erneuert wie die russische Demokratie. All das könnte sich 2013 dennoch wiederholen.

Doch wie lässt sich diese Neuauflage medial entzaubern? Die FPÖ-Politik kurzerhand als Schwachsinn für Stumpfsinnige abzutun, greift zu kurz. Wer mit Fragen zum Dritten Lager auf einen Fehltritt Straches hofft, darf weiter hoffen und bestenfalls die Erwartungshaltung der eigenen Kollegenschaft erfüllen.

Zu einem wirkungsvolleren Umgang mit der FPÖ wäre ein Gedankensprung notwendig. Dazu müsste man Strache für voll nehmen und als Vizekanzler behandeln. Damit wäre eine inhaltliche Ebene garantiert. Die FPÖ ist stark in der Polemik und schwach im Detail. Es braucht konkrete Fragen zu aktuellen Problemen. Populisten erklären gern, was sie in Zukunft anders machen würden oder in der Vergangenheit besser gemacht hätten, mit heutigen Lösungsmodellen tun sie sich schwer. Dafür braucht es erfahrene Journalisten mit breitem Wissen.

Ein Strategiewechsel wäre auch der SPÖ anzuraten. Denn selbst mit einer massiven Anzeigenschaltung bleibt die FPÖ auf der Überholspur. Da können die Blätter Krone, Österreich und Heute die Person Strache noch so konsequent ignorieren, die Headlines des Boulevard zu Sicherheit und Zuwanderung spielen automatisch der FPÖ in die Hände. Eine mutige und reformfreudige Performance der Regierung würde der FPÖ den Wind aus den Segeln nehmen. Zugegeben, da ist eine Anzeigenkampagne schon bequemer. Wann kam zuletzt ein spannender Gedanke aus der ÖVP? Von EuropeanVoice wurde Michael Spindelegger als "the Austrian silence" tituliert. Noch Fragen?

Und der Rest des Landes? Sollte sich aus der selbstgewählten Lethargie befreien. Abgeklärter Zynismus mag lässig sein, 2013 könnte uns aber das Lachen vergehen. An Stil und Politik der FPÖ sollte man sich nie gewöhnen! Denn ein Wahlsieg der FPÖ ist kein Naturgesetz. (Christina Aumayr-Hajek, STANDARD-Printausgabe, 17.8.2011)