Walter Gehr

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STANDARD: Herr Gehr, warum haben Sie den Verein gegründet?

Gehr: Die Uno hat eine Whistleblowing-Gesetzgebung. In Österreich gibt es diese noch nicht.

STANDARD: Wo soll die Gesetzgebung ansetzen?

Gehr: Am Arbeitsplatz, wo die Missstände entstehen. Sie soll diejenigen Mitarbeiter schützen, die Fehlverhalten aufzeigen. Man nennt Whistleblowing auch den "Aufstand der Anständigen" .

STANDARD: Haben Sie das Gefühl, dass durch Ihren Verein eine Gesetzeslücke geschlossen wird?

Gehr: Absolut. Wir setzen uns für ein Gesetz ein, das Whistleblower schützen und die Selbstachtung und Zivilcourage der Menschen fördern soll. Das ist ein gesellschaftliches Ziel.

STANDARD: Wenn ein Mitarbeiter einen Missstand feststellt, wie soll er dann handeln?

Gehr: Er kann sich per E-Mail an uns wenden, damit wir ein Treffen vereinbaren können. Die Beratung findet dann auf rechtlicher, medialer und psychologischer Ebene statt. Nach dem Gespräch verweisen wir die Person bei Bedarf an einen Anwalt oder Psychologen. Wir selbst dienen als Anlauf- und Vermittlungsstelle.

STANDARD: Haben Sie schon konkrete Fälle?

Gehr: Nein. Das ist noch zu früh. Unser erstes Ziel ist einmal eine Whistleblower-Gesetzgebung.

STANDARD: Warum gibt es die in Österreich noch nicht?

Gehr: Das liegt an der österreichischen Kultur, die das Amtsgeheimnis liebt. Neue Themen brauchen länger, bis sie ankommen. Es gibt eine gewisse "Metternich'sche" Kultur in diesem Land. Man stößt auch auf Widerstände von wirtschaftlicher Seite, die an einem solchen Gesetz nicht interessiert ist. Dabei ist es im Sinne des Arbeitnehmers, der rechtlich geschützt wird. Auch der Arbeitgeber profitiert, wenn Probleme aufdeckt werden, bevor sie größeren Schaden anrichten. Wir leben jedoch in einem Rechtsstaat, wo wir den, der Missstände aufzeigt, bestrafen.

STANDARD: Waren Sie selbst schon Whistleblower?

Gehr: Ich bediene mich der Whistleblowing-Gesetzgebung der UN.

STANDARD: Gibt es in Österreich noch Zivilcourage?

Gehr: In der heutigen Zeit, wo es um Machtkämpfe und Geld geht, hat man den Blick für das öffentliche Wohl verloren. Bürgerliche Werte gehen heutzutage den Bach runter, nicht nur in Österreich. Man muss wieder das Bewusstsein für das allgemeine Interesse schärfen. Die drei Säulen sind "Anstand, Selbstachtung und Zivilcourage" .

STANDARD: Welche Rolle spielen dabei die Medien?

Gehr: Medien sollten die vierte Gewalt im Staat bleiben. Ideal wäre ein Zusammenspiel von traditionellen Medien, wie Printmedien, und sozialen Netzwerken. (Ann-Kathrin Slupek, DER STANDARD; Printausgabe, 18.8.2011)