Potenzielles Role Model in Sachen Datenverarbeitung: die Feldheuschrecke

Foto: Sandra Wohlgemuth

Berlin - Effizienz ist alles: Dass bereits wenige Zellen ausreichen, um selbst komplexe Reize zu verarbeiten, haben Wissenschafter des Bernstein-Zentrums Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin herausgefunden. Sie untersuchten, wie das Hörsystem von Heuschrecken die artspezifischen Balzgesänge erkennt und stellten fest, dass dafür nur drei zelluläre Verschaltungen notwendig sind. Dabei stört nicht einmal, dass die ans Gehirn weitergegebenen Signale weit weniger präzise sind als die Eingangssignale, wie in den "Proceedings" der US-amerikanischen National Academy of Sciences (PNAS) zu lesen ist.

Die Wissenschafter entdeckten zu ihrer Überraschung, dass die Informationen bereits nach drei zellulären Verarbeitungsschritten stark verändert und vor allem zeitlich ungenauer waren. Dennoch enthielten die ans Gehirn geleiteten Signale die wesentlichen Informationen über Gesangsmerkmale. Wenn zum Vergleich unsere Sinnesorgane eine wertvolle Vorverarbeitung für das Gehirn liefern und so einer Überflutung durch nicht gewichtete Reize vorbeugen, ist ein großes Netzwerk aus vielen tausend Zellen im Einsatz.

Relevant für den Themenkreis Datenverarbeitung

Die Balzgesänge unterschiedlicher Heuschrecken-Arten zeichnen sich durch einen Wechsel von Silben und Pausen aus. Die Aktivität der Sinneszellen, die in den Ohren am Hinterleib der Tiere sitzen, war zeitlich sehr präzise an die eintreffenden Reizmuster gekoppelt. Dies erlaubt den Tieren eine sehr genaue Klassifizierung der Muster der Balzgesänge. Doch bereits die nachfolgenden Zellen zeigten ein spezifisches Aktivitätsmuster, das nur einen Bruchteil der Informationen weiterleitete. "Zu Beginn waren wir sehr erstaunt, dass unser Netzwerk die so wichtige Präzision zerstört", erklärt Erstautor Jan Clemens. Doch ihre Analysen zeigen den Grund für die veränderten Signale: "Während zu Beginn der Verarbeitung die meiste Information in der genauen zeitlichen Abfolge der neuronalen Signale steckte, entsprechen die Ausgangssignale eher einer Ja-Nein-Antwort", erklärt Arbeitsgruppenleiterin Susanne Schreiber. So gehen zwar viele Informationen auf dem Weg ins Gehirn der Heuschrecken verloren. Doch der wesentliche Inhalt, nämlich ob der Gesang von einem arteigenen Männchen stammt oder von einem artfremden, steht dem Tier deutlich einfacher zur Verfügung.

Damit entspricht auch dieses kleine Netzwerk der Theorie, nach der die Informationsverarbeitung in Nervensystemen hocheffizient sein sollte, um in der Evolution bestehen zu können. Im nächsten Schritt möchten die Berliner Wissenschaftler dieses Netzwerk der Heuschrecken am Computer nachbilden und so wichtige Aspekte der Datenverarbeitung genauer verstehen lernen. (red)