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Demonstrative Einigkeit: Der russische Premier Putin (li.) und Präsident Medwedew präsentierten sich der Öffentlichkeit als geschickte Angler und eingeschworenes Team - wohl auch um Spekulationen über einen Machtkampf entgegenzuwirken. In ihrer Partei rumort es hingegen.

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Jelena Kondakowa, einst Kosmonautin und Heldin ihres Landes, jetzt Kritikerin der eigenen Partei.

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Die ehemalige russische Kosmonautin und Duma-Abgeordnete Jelena Kondakowa fährt schwere Geschütze auf: laut der 54-Jährigen fälscht die Regierungspartei Einiges Russland, der sie selbst angehört, die Ergebnisse der parteiinternen Vorwahlen. "Man darf diesen Wahlen nicht glauben. Wenn das so weiter geht, werden nicht nur die Vorwahlen, sondern auch die Parlamentswahl am 4. Dezember zu einer Show", sagte Kondakowa auf einer Pressekonferenz in Moskau.

Kondakowa, die in den 90er-Jahren zweimal in den Weltraum flog, ist die erste Politikerin, die auf Wahlfälschungen in den eigenen Reihen aufmerksam macht. Die Menschen würden zu den Vorwahlen bereits mit fertigen Listen in der Hand kommen. "Bei den Vorwahlen gibt es 98 Wähler, aber wenn man die Resultate zählt, kommt man auf 360 Stimmen. Woher kommen diese Stimmen? Es ist klar, dass das alles gefälscht ist", sagt die Abgeordnete.

Mit Hilfe von Fälschungen kämen Leute auf den ersten Listenplatz, die sich bei keiner Wahlveranstaltung gezeigt hätten und die keiner kenne. Kondakowa, die seit 1999 für Einiges Russland in der Duma sitzt, bezeichnete die Vorwahl als "politisches Spiel". Es werde versucht, Demokratie zu spielen, obwohl die Partei die Kandidaten für die Dumawahl bereits bestimmt habe.

Maxim Surajew, ebenfalls Kosmonaut und Parteimitglied, bezeichnete die Anschuldigungen seiner Kollegin als haltlos. Kondakowa sei über ihre schlechte Platzierung in den Vorwahlen enttäuscht und würde die Ergebnisse deshalb als gefälscht bezeichnen.

Große Nervosität

Einiges Russland führt seit 2007 parteiinterne Vorwahlen durch, um zu bestimmen, wer bei der Dumawahl auf die Kandidatenliste gesetzt wird. Es ist die einzige Partei, in Russland, die ein derartiges Verfahren durchführt. Bei der letzten Regionalwahl im Frühjahr diesen Jahres rutschte die Regierungspartei unter die 50-Prozent-Schwelle. Die Nervosität vor der Dumawahl ist daher groß.

Kondakowa wandte sich mit ihrem Anliegen an die Parteiführung, wo sie ignoriert wurde. Vor dem Schritt, mit den Vorwürfen an die Öffentlichkeit zu gehen, habe sie keine Angst gehabt. "Was habe ich zu befürchten? Ich bin Heldin Russlands und bekomme eine ausreichende Pension", sagte die Kosmonautin. Es sei ihr allerdings bewusst, dass ihre Erklärung das Ende ihrer politischen Karriere mit sich bringen könnte.

Auch der letzte sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow hält die Wahlen in Russland für gefälscht. "Wir brauchen ehrliche Wahlen", sagte Gorbatschow bei einer Pressekonferenz anlässlich der Augustputsches vor 20 Jahren. Derzeit gebe der Vizestabschef und Chefideologe des Kreml, Wladislaw Surkow, vor, welches Ergebnis die Regierungspartei in den Regionen zu erreichen habe.

Der Friedensnobelpreisträger zeigte sich generell von dem Weg, den Russland seit dem Zerfall der Sowjetunion eingeschlagen hat, enttäuscht. "Die Politik und die Vorschläge der jetzigen Führung sind ein Schritt zurück", sagte der 80-Jährige. Verglichen mit Österreich lebten noch immer 96 Prozent der Russen unter der Armutsgrenze, die Sterblichkeit sei so hoch wie in afrikanischen Ländern.

Jelena Kondakowa, einst Kosmonautin und Heldin ihres Landes, jetzt Kritikerin der eigenen Partei. (Verena Diethelm aus Moskau, DER STANDARD, Printausgabe, 18.8.2011)