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Die Entwicklung männlicher Embryos ist komplexer als bislang angenommen.

Foto: APA/ EPA/National Geographic Channel

Zürich/Bern - Die Entwicklung männlicher Embryos ist offenbar viel komplexer als bisher angenommen: Damit sich Hoden und Penis richtig ausbilden, müssen zwei verschiedene Wege zur Produktion des Testosteron-Derivats DHT im Körper funktionieren, wie Forscher aus Bern und Zürich entdeckt haben.

DHT ist die biologisch aktivste Form von Testosteron. Es ist nötig, damit sich bei einem Embryo der Hodensack und der Penis ausbilden. Bisher war beim Menschen nur ein Weg bekannt, wie DHT im Körper entsteht. Nun haben Forscher der Universitäts-Kinderspitäler Zürich und Bern ein zweites solches Herstellungsprogramm entdeckt.

Auf die Sprünge half den Forschern dabei das Känguru, wie das Inselspital Bern am Donnerstag mitteilte. Bei dem Beuteltier war der alternative DHT-Entstehungsweg kürzlich entdeckt worden. Diese eignen sich für derartige Studien besonders gut, weil das Baby im Beutel ohne komplizierte, schädliche Eingriffe untersucht werden kann.

Wichtiges Hormon-Herstellungsprogramm

Ein Team um Christa Flück vom Uni-Kinderspital Bern und Anna Biason-Lauber vom Uni-Kinderspital Zürich untersuchte Menschen, deren Geschlechtsorgane unterentwickelt oder missgebildet waren. Der beim Menschen bereits bekannte Hormonweg funktioniere bei diesen Patienten ganz normal, sagte Flück. Doch bei zwei Enzymen, die essenziell für den bisher nur beim Känguru bekannten Hormonweg sind, fanden die Wissenschafter schädliche genetische Mutationen. Daraus lasse sich schließen, dass auch das zweite Hormon-Herstellungsprogramm zur Ausbildung der männlichen Geschlechtsorgane nötig sei, sagte Flück.

Die Forscher haben ihre Entdeckung kürzlich im Fachmagazin The American Journal of Human Genetics publiziert. Sie hoffen, dass die neue Erkenntnis zu den komplizierten Prozessen im Mutterleib dereinst bei der Behandlung von hormonellen Erkrankungen helfen kann.

Kompliziertere Mädchen

Die Ausbildung von Hoden oder Eierstöcken beginnt ab der sechsten Schwangerschaftswoche. Schon vorher produzieren die Hodenvorläufer bei Knaben aus Cholesterin verschiedene männliche Hormone. Bei Mädchen findet diese Hormonproduktion nicht statt. Biologisch gesehen seien Buben deshalb die komplizierteren Mädchen.

Wenn die DHT-Produktion im Mutterbauch nicht reibungslos abläuft, kann das verschiedene Auswirkungen haben: Manche Babys kommen trotz männlichem Chromosomensatz optisch als Mädchen zur Welt. Bei anderen ist das Geschlecht nicht eindeutig; die Geschlechtsorgane sind unvollständig ausgebildet.

Früher korrigierten Eltern und Ärzte dies meist mit Operationen. Heute sei man zurückhaltender, schreibt das Inselspital. Direktbetroffene fordern gar, dass man mit Eingriffen und Therapien wartet, bis die Betroffenen erwachsen sind und selber entscheiden können. Allerdings ist der gesellschaftliche Druck auf Eltern und Heranwachsende enorm groß. (red/APA)