Den Haag/Prishtina/Belgrad - Vor dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien (ICTY) ist am Donnerstag der Prozess gegen den ehemaligen kosovarischen Regierungschef Ramush Haradinaj und zwei Mitangeklagte neu aufgerollt worden. Die Angeklagten haben sich in sechs Punkten - die ursprüngliche Anklage hatte 37 Punkte - wegen Kriegsverbrechen in einem Gefangenenlager der kosovarischen UCK-Armee im westkosovarischen Dorf Jabllanica im Sommer 1998 zu verteidigen. Das Verfahren wird nach einem ersten Freispruch 2008 neu aufgenommen.

Die UCK-Angehörigen hätten in Jabllanica Zivilisten misshandelt, die Gegner der UCK gewesen seien, oder für solche gehalten wurden, sagte der Ankläger Paul Rogers zu Beginn des Prozesses. Er verwies darauf, dass in dem Lager Gefangene ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit misshandelt, gefoltert und ermordet wurden. Unter den Opfern gab es nicht nur Serben, sondern auch Albaner, die von der UCK als illoyal betrachtet wurden.

56 Zeugen

Die Anklage will ihre Vorwürfe gegen die einstigen Angehörigen der Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) mit der Hilfe von 56 Zeugen beweisen. Einige hatten bereits im ersten Prozess ausgesagt. Besondere Aufmerksamkeit soll den Aussagen von zwei ehemalige Wächtern des UCK-Gefangenenlagers gelten, die sich in einem ersten Verfahren geweigert hatten, auszusagen.

Der 43-jährige Haradinaj war in einem ersten Verfahren im April 2008 freigesprochen worden. Das UNO-Tribunal hatte im Juli des Vorjahres beschlossen, den Prozess gegen Haradinaj, Lahi Brahimaj und Idriz Balaj zum Teil neu aufzurollen. Einer der Gründe dafür war die Einschüchterung von Zeugen bei dem ersten Verfahren.

Der Ex-Premier und jetzige Chef der oppositionellen Partei Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) ist der ranghöchste Kosovo-Albaner, der sich vor dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien verantworten muss. Haradinaj ist weiterhin einer der populärsten Politiker des Kosovo. (APA)