In "Treffpunkt Medizin" geht es alle zwei Wochen um Krankheiten und Therapien.

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Wien - Ein "Meilenstein" in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde ORF 3, versprach Generaldirektor Alexander Wrabetz bei der Präsentation des Info- und Kulturspartenkanals. So der Bundeskommunikationssenat plangerecht zustimmt, startet der Sender im Oktober auf dem Kanal von TW1 mit eigenproduzierten Magazinen und niveauvollem Programm - ein Musterbeispiel für Bildungsfernsehen soll es sein.

Wirkt unabhängig

Kurz vor dem geplanten Start präsentiert sich eines der Programme alles andere als vorbildlich: Das Gesundheitsmagazin Treffpunkt Medizin operierte bis vor kurzem an den Grenzen journalistischer Ethik.

Jeden zweiten Mittwoch präsentiert Markus Voglauer Beiträge zu Krankheiten aller Art: Jeweils 30 Minuten geht es um Krebs, Darmerkrankungen, Diabetes, Ehec, Wirkstoffe gegen Aids, Epilepsie und vieles andere mehr. Auf den ersten Blick wirkt das alles wie unabhängiger Journalismus. Hinter den Informationen verbergen sich allerdings häufig eindeutige Sponsoreninteressen. Die Beiträge sind gut getarnte Werbesendungen.

Beispiel: 4. März 2011, Thema Darmkrebs. Mediziner heben die Wichtigkeit von Vorsorge hervor. Zu sehen sind Bilder aus einer Gruppenpraxis, in der Koloskopien durchführt werden. Die Ärzte erklären die Vorzüge des Verfahrens. Weiters wird auf die Wichtigkeit von Bluttests und Antikörpertherapie hingewiesen. Mit letzterer seien "extrem hohe Erfolge zu erzielen", sagt Moderator Voglauer.

Im Abspann scheinen als Sponsoren just jene Praxis, jenes Molekulardiagnostik-Unternehmen und jene Pharmafirma auf, die die angeführten Verfahren und Therapien anbieten. Eine Kureinrichtung schoss ebenfalls zu, sie war zuvor in einem Beitrag zu sehen.

"Inhaltlich absolut sauber gemacht"

Treffpunkt Medizin sei "inhaltlich absolut sauber gemacht", sagt TW1-Geschäftsführer Helmut Kaiser. "Die Beiträge entstehen redaktionell und sind vollkommen getrennt vom Sponsoring." Das Sponsoring von Treffpunkt Medizin geschieht in Absprache mit den Ärzten, sagt Kaiser. Die Sendung wird von der Wiener Produktionsfirma Teamworx produziert.

Tatsächlich wurde in keinem Fall gegen geltendes Recht verstoßen. Als digitales, gebührenfreies Spartenprogramm muss die ORF-Tochter das ORF-Gesetz einhalten. Es gilt das Gebot der Erkennbarkeit von Werbung.

Treffpunkt Medizin entsteht mehrheitlich als Patronanzsendung, das sind redaktionell eigengestaltete, aber von außen durch Produktionskostenzuschüsse unterstützte Formate. Sponsoren müssen laut ORF- Gesetz eindeutig am Anfang oder am Ende angeführt werden. Treffpunkt Medizin blendet sie zum Schluss ein - und täusche damit sein Publikum, meint der PR-Ethikrat.

Graubereich

"Für Zuseher ist nicht klar zu erkennen, ob es sich um Werbung handelt oder um eine redaktionelle Leistung", urteilt PR-Ethikrätin Renate Skoff. Die Sendung falle "in den immer größer werdenden Graubereich der Medienkooperationen", sagt Skoff: "Wenn das dem Gesetz entspricht, so ist das Gesetz nicht ausreichend." Die Bestimmung stamme aus einer Zeit, in der es Sonderwerbeformen noch nicht in der Dichte gab wie heute: "Das gehört neu geregelt", sagt Skoff.

Gesundheit und Medizin gelten als besonders anfällig für undurchsichtige Formen von Medienkooperationen. Gratisfachjournale für Ärzte etwa operieren mitunter mit zweifelhaften Praktiken im Sinne ihrer Inserenten aus der Pharmaindustrie. Eine Studie im Auftrag des PR-Ethikrates listet im Medizinjournalismus zahlreiche Beispiele von nicht oder versteckt gekennzeichneter Werbung in Printmedien auf.

"Der Seher muss den Absender des Beitrags klar erkennen", fordert Skoff. Beim Fernsehen seien Inserts vor und nicht nach der Sendung anzubringen. Das hält auch Pharmig-Chef Jan Oliver Huber für "sinnvoll": "Das würde unserem Verhaltenskodex entsprechen, der für Referenten bei Veranstaltungen vorschreibt, dass allfällige Interessenkonflikte vorher offenzulegen sind."

Kennzeichnung vor und nach der Sendung begrüßt auch Kaiser: "Wenn es die Gestaltung der Sendung erlaubt, habe ich damit keine Berührungsängste."

Notbremse

Problembewusstsein ist vorhanden. Kaiser berichtet von innerredaktionellen Diskussionen zum Thema Sponsoring und zog im Frühjahr die Notbremse: "Wir machen das nicht mehr. A la longue wollen sich die Ärzte nicht als Gesprächspartner zur Verfügung stellen", sagt Kaiser. In Zukunft setze Treffpunkt Medizin nur noch auf klassische Werbung. Keine Minute zu früh: Als künftiger ORF-Vorzeigesender wäre die bisher übliche Praxis kaum zu rechtfertigen. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 19.8.2011)